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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ging mit ihm. Vergessen Sie nicht, ich
gehörte zu einer Generation von Kindern, die gut sein wollten; uns hatte man beigebracht, zu »antworten, wenn wir gefragt wurden«, und den Eltern zu gehorchen, wie verschroben ihre Ansichten auch sein mochten. Dies ist, nur nebenbei, keine schlechte Methode, Kinder in die exotischeren Bereiche menschlichen Verhaltens und Denkens einzuführen;
man leitet das stille Kind (und ich war eines) auf Rundreisen
durch extrem bizarre Abschnitte gedanklicher Landschaften.
Ich hielt es nicht für möglich, daß man mit einer Wünschelrute Wasser finden konnte, aber es interessierte mich doch, zu
sehen, wie der Trick durchgeführt wurde.
    Wir gingen zum Rasen vor dem Haus, und der Stock fing
wieder an zu zittern. Onkel Clayt strahlte. »Hier ist es«, sagte
er. »Sieh dir das an, Stevie! Sie wird fündig, der Teufel soll
mich holen, wenn es nicht so ist!«
    Drei Schritte weiter stieß die Apfelholzwünschelrute nach
unten - sie drehte sich einfach in Onkel Clayts Händen und
deutete direkt nach unten. Es war tatsächlich ein guterTrick;
ich konnte sogar hören, wie die Gelenke seiner Finger knackten, sein Gesicht hatte einen angestrengten Ausdruck, während er das Ende der Wünschelrute wieder in die Höhe zog.
Kaum ließ er mit dem Druck nach, senkte sich die Spitze wieder nach unten.
    »Wir haben eine Menge Wasser hier«, sagte er. »Du könntest bis zum Jüngsten Tag davon trinken, ohne daß es alle
wird. Und es ist nicht einmal tief.«
    »Laß mich es versuchen«, sagte ich.
»Nun, zuerst müssen wir wieder ein Stück zurück«, sagte
er; was wir taten. Wir gingen bis zum Rand der Einfahrt zurück.
Er gab mir den Stock und zeigte mir, wie ich ihn mit gekrümmten Daumen halten mußte (Handgelenke nach
außen, Daumen nach unten - »Sonst wird dir der Hurensohn
die Handgelenke brechen, wenn du über Wasser kommst und
er nach unten schnellt«, sagte Clayt), und dann gab er mir
einen Klaps auf den Po.
»Momentan fühlt es sic h nach nichts anderem als einem
Stück Holz an, was?« fragte er.
Dem stimmte ich zu.
»Aber wenn du näher ans Wasser kommst, wirst du spüren,
wie sie zum Leben erwacht«, sagte er. »Ich meine wirklich zum Leben, als wäre sie noch am Baum. Oh, Apfelbaumholz
ist gut für Wünschelruten. Es gibt nichts Besseres als Apfelbaum, wenn man nach Brunnenwasser sucht.«
Einiges von dem, was sich danach abspielte, kann also
durchaus herbeigeredet worden sein, und ich will an dieser
Stelle nicht versuchen, Ihnen etwas anderes zu erzählen,
wenngleich ich in der Zwischenzeit genug gelesen habe, um
zu glauben, daß das Wünschelrutengehen tatsächlich funktioniert, wenigstens manchmal, bei manchen Menschen und aus
seinen eigenen, unerfindlichen Gründen.* Ich möchte sagen,
daß Onkel Clayt mich in denselben Zustand versetzt hat, in
den ich die Leser meiner Romane immer wieder versetzen
will - in jenen Zustand des Glaubens, in dem der gehärtete
Schild der »Vernunft« vorübergehend abgelegt und die Ungläubigkeit beseitigt wurde und der »sense of wonder« wieder
in greifbarer Nähe ist. Wenn das auf die Gabe der Suggestion
zurückzuführen ist, dann meinetwegen; für das Gehirn ist sie
besser als Kokain.
Ich ging auf die Stelle zu, wo Onkel Clayt gewesen war, als
die Wünschelrute ausgeschlagen hatte, und der Teufel soll
mich holen, wenn der Apfelbaumholzstock nicht in meinen
Händen lebendig zu werden schien. Er wurde warm und fing
an, sich zu bewegen. Anfangs war es eine Vibration, die ich
spüren, aber nicht sehen konnte, dann fing die Spitze des
Stocks an, sich zu bewegen.
»Es funktioniert!« schrie ich Onkel Clayt zu. »Ich kann es spüren!«
Clayt fing an zu lachen. Ich fing auch an zu lachen - kein hysterisches Lachen, sondern eines reinen und unverhohlenen
Entzückens. Als ich über die Stelle kam, wo die Wünschelrute
für Onkel Clayt nach unten gestoßen hatte, stieß sie auch für
mich nach unten; eben noch war sie aufrecht, im nächsten Augenblick deutete sie senkrecht nach unten. Ich erinnere mich
an zwei Dinge in diesem Augenblick sehr deutlich. Eines war
das Gefühl von Gewicht, wie schwer die Wünschelrute geworden zu sein schien. Mir schien, als könnte ich sie kaum noch
hochhalten. Es war, als wäre das Wasser im Stock drinnen,
und nicht im Boden; als wäre er förmlich geschwollen von
Wasser. Clayt hatte den Stock, nachdem er gesunken war,
    * Eine der plausibleren Erklärungen für dieses Phänomen ist die, daß
nicht der Stock das Wasser spürt, sondern

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