Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
dieser Nacht schlief ich nicht in meinem Bett; ich schlief
an der Tür, wo das wirkliche und vernünftige Licht der Badezimmerlampe in mein Gesicht scheinen konnte. Das war die
Stärke des Radios in seinen besten Zeiten. Der »Schatten«,
wurde uns zu Beginn jeder Folge versichert, besaß die Gabe,
»den Verstand der Menschen zu umwölken«. Ich finde, wenn
es um Belletristik in den Medien geht, sind es häufig Fernsehen und Filme, die den Teil unseres Denkens umwölken, wo
die Phantasie am fruchtbarsten erblüht; das tun sie, indem sie
die Diktatur der visuellen Kulisse ausüben.
Wenn Sie sich die Phantasie als ein geistiges Geschöpf mit
hundert verschiedenen Gestalten vorstellen (stellen Sie sich,
wenn Sie wollen, Larry Talbot vor, der bei Vollmond nicht nur
dazu verdammt ist, sich in einen Wolf zu verwandeln, sondern
in aufeinanderfolgenden Nächten in ein ganzes Bestiarium,
vom Werhai bis hin zum Werfloh), dann ist eine Form die des
amoklaufenden Gorillas, ein Geschöpf, das gefährlich und
völlig außer Kontrolle ist.
Wenn Ihnen das weit hergeholt oder melodramatisch erscheint, denken Sie an Ihre eigenen Kinder oder die Kinder
enger Freunde (vergessen Sie Ihre eigene Kindheit; Sie erinnern sich vielleicht mit einiger Klarheit an Ereignisse, die damals stattgefunden haben, aber die meisten Erinnerungen,
wie die emotionale Wetterlage damals gewesen sein mag, werden falsch sein) und an die Gelegenheiten, wenn sie schlicht
und einfach außerstande sind, das Licht im zweiten Stock auszumachen, in den Keller zu gehen oder auch nur einen Mantel aus dem Schrank zu holen, weil sie etwas gesehen oder gehört haben, das ihnen Angst gemacht hat - und nicht notwendigerweise ein Film oder eine Fernsehsendung. Ich habe bereits den schrecklichen »twi-night double-header« erwähnt;
John D. MacDonald erzählt die Geschichte, wie sein Sohn
wochenlang vor etwas Angst hatte, das er den »green ripper«
- den »grünen Frauenmörder« - nannte. MacDonald und
seine Frau kamen schließlich dahinter - während eines Essens hatte ein Freund den »Grim Reaper« - den »Sensenmann« - erwähnt. Ihr Sohn hatte green ripper verstanden,
und das wurde später der Titel von einer von MacDonalds
»Travis McGee«-Geschichten.
Ein Kind kann vor so vielen Dingen Angst haben, daß Erwachsenen für gewöhnlich klar ist, sie könnten sämtliche Beziehungen zu dem Kind gefährden, wenn sie sich deswegen
zu große Sorgen machen; man fängt an, sich wie ein Soldat
mitten auf einem Minenfeld zu fühlen. Dazu kommt ein weiterer verkomplizierender Faktor: Manchmal ängstigen wir
unsere Kinder absichtlich. Eines Tages, sagen wir, könnte ein
Mann mit einem schwarzen Auto anhalten und dir etwas Süßes
anbieten, damit du mit ihm fährst. Das ist ein böser Mann (lies: der schwarze Mann), und wenn er bei dir anhält, darfst
du nie, nie, nie …
Oder: Statt diesen Zahn der Zahnfee zu geben, Ginny, legen
wir ihn einmal in dieses Glas Cola, Morgen wird der Zahn verschwunden sein. Das Cola wird ihn auflösen. Also denk
daran, wenn du das nächste Mal einen Vierteldollar hast
und …
Oder: Kleine Jungs, die mit Streichhölzern spielen, machen
ins Bett; sie können einfach nichts dafür. Also spiele niemals …
Oder den ewigen Dauerbrenner: Nimm das nicht in den
Mund, du weißt nicht, wo es vorher gewesen ist.
Die meisten Kinder kommen ganz gut mit ihren Ängsten
zurecht …, jedenfalls die meiste Zeit über. Die Gestaltveränderung ihrer Phantasie ist so breit, so wundersam unterschiedlich, daß der Gorilla nur ab und zu aus dem Blatt hervorspringt. Abgesehen davon, sich Sorgen zu machen, was
unter dem Bett ist, müssen sie sich selbst als Feuerwehrmänner und Polizisten sehen (die Phantasie als der sanfte gute
Ritter), als Mutter und Krankenschwester, als Superhelden
verschiedener Kostümierungen und Typen, als ihre eigenen
Eltern, in Kleidung vom Dachboden verkleidet und kichernd, während sie vor einem Spiegel stehen, der ihnen die
Zukunft auf die unbedrohlichste Weise zeigt. Sie müssen ein
ganzes Spektrum von Gefühlen erleben, von Liebe bis zu
Langeweile, die sie wie ein Paar neue Schuhe anprobieren
müssen.
Aber ab und zu kommt der Gorilla heraus. Kinder begreifen, daß sie dieses Gesicht der Phantasie einsperren müssen
(»Es ist nur ein Film, in Wirklichkeit kann das nicht passieren,
oder?« … Oder wie Judith Viorst in einem ihrer Kinderbücher schreibt: »Meine Mama sagt, es gibt keine Gespenster,
Vampire und Zombies …, aber …«). Aber ihre

Weitere Kostenlose Bücher