Danse Macabre
People im
Fernsehen oder in einem Programmkino in Ihrer Nähe anzusehen, dann achten Sie besonders auf die Szene, als Irena Ms.
Randolph verfolgt, während sich Ms. Randolph sputet, um
ihren Bus zu bekommen. Wenn Sie sich die Mühe machen
und genau hinsehen, dann werden Sie feststellen, daß es überhaupt nicht der Central Park ist. Es handelt sich um eine Kulisse, die im Studio errichtet worden ist. Ein wenig Nachdenken offenbart den Grund dafür. Tourneur, der immer die Kontrolle über die Beleuchtung haben wollte, wollte nicht in
einer Kulisse drehen, er hatte schlicht und einfach keine andere Wahl.*
Der »Stand der Technik« im Jahr 1942 ließ keine
nächtlichen Außenaufnahmen zu. Anstatt bei Tage mit einem dunklen Filter zu drehen, eine Technik, die noch offensichtlicher
getürkt aussieht, beschloß Tourneur einfühlsam, die Kulisse
zu verwenden - und ich finde es interessant, daß Stanley Kubrick etwa vierzig Jahre später bei The Shining (dt: Shining) genau dasselbe getan hat … Und Kubrick ist, wie Lewton
und Tourneur vor ihm, ein Regisseur, der ein erlesenes Feingefühl für die Nuancen von Licht und Schatten hat.
Für das Kinopublikum von damals bedeutete das keinen
Mißton, die Leute waren daran gewöhnt, Filmkulissen ins
William F. Nolan sagte, als er den Film erwähnte, er würde sich bei der
Szene im Central Park am deutlichsten an das Muster von »LichtSchatten-Licht-Schatten-Licht-Schatten« erinnern, während die Kamera Ms. Randolph folgt - was wahrhaftig ein guter Effekt ist.
Wirken ihrer Phantasie zu integrieren. Kulissen wurden einfach so akzeptiert, wie wir ein oder zwei Kulissenteile in
einem Stück akzeptieren würden, das (wieThorntonWilders Our Town (dt: Unsere kleine Stadt) zum Beispiel weitgehend
»kahle Bühne« erfordert - das ist ein Akzeptieren, über das
der viktorianische Theaterbesucher schlichtweg ausgerastet
wäre. Er hätte vielleicht das Prinzip der kahlen Bühne akzeptieren können, aber emotional hätte das Stück seine Wirkung
und seinen Charme eingebüßt. Für den viktorianischenTheaterbesucher wäre Our Town außerhalb ihrer oder seiner Kulisse der Realität.
Für mich verlor die Szene im Central Park aus denselben
Gründen ihre Glaubwürdigkeit. Während die Kamera Mrs.
Randolph folgt, scheint alles um sie herum Fälschung, Fälschung, Fälschung! zu schreien. Ich sollte mich darum sorgen, ob Jane Randolph angegriffen wird oder nicht, statt dessen dachte ich über die Mauer aus Pappmache im Hintergrund nach.
Als der Bus schließlich vorfährt und das Schnaufen seiner
Bremse das enttäuschte Fauchen der Katze nachahmt, dachte
ich darüber nach, ob es schwer war, einen New York City Bus
auf die Bühne zu bekommen und ob die Büsche im Hintergrund echt oder aus Plastik waren.
Die Kulisse der Realität verändert sich, und die Grenzen
jenes geistigen Landes, wo die Phantasie auf fruchtbare Weise
eingesetzt werden kann (Rod Serlings zutreffender, mittlerweile in die amerikanische Umgangssprache übergegangener
Ausdruck dafür lautete die »Twilight Zone« - »Dämmerungszustand«), sind in fast unablässiger Veränderung begriffen. In
den sechziger Jahren, dem Jahrzehnt, in dem ich mehr Filme
als jemals sonst angesehen habe, war der »Stand derTechnik«
so weit fortgeschritten, daß Kulissen im Studio fast völlig
überflüssig geworden waren. Neue schnelle Filme machten es
möglich, mit dem vorhandenen Licht zu drehen. 1942 konnte
Val Lewton nicht nachts im Central Park drehen, aber Stanley Kubrick drehte in Barry Lyndon mehrere Szenen bei Kerzenlicht. Das ist ein technischer Quantensprung, der seine
paradoxen Folgen hat: Er beraubt die Bank der Phantasie.
Weil ihm das klar war, machte Kubrick mit seinem nächsten
Film, The Shining, möglicherweise einen gewaltigen Schritt
zurück zur Kulisse.*
Das alles mag weit entfernt vom Thema des Hörspiels und
der Frage sein, ob man die Tür aufmachen und das Monster
zeigen soll oder nicht, aber wir sind ganz dicht an beidenThemen. So wie das Kinopublikum der vierziger und fünfziger
Jahre an Lewtons Central-Park-Kulisse glaubte, so glaubten
die Radiohörer, was ihnen die Ansager, die Schauspieler und
die Geräuscheffektemacher sagten. Die visuelle Kulisse war
da, aber sie bestand aus Plastik, von sehr wenigen starken
und schnellen Erwartungen zusammengehalten. Wenn man
sich das Monster in Gedanken vorstellte, dann hatte es keinen Reißverschluß im Rücken; es war ein perfektes Monster.
Das Publikum, das sich heute die alten
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