Danse Macabre
Endergebnis dasselbe ist). Daß die Wissenschaftler in den Techno-Horror-Filmen der fünfziger Jahre einem Jahrzehnt, das offenbar entschlossen war, ein ganzes
Regiment von Männern und Frauen in weißen Labormänteln
hervorzubringen - so einhellig als böse porträtiert werden, ist
möglicherweise nicht so überraschend, wenn man bedenkt,
daß es die Wissenschaft war, die eben jene Pforten öffnete, so
daß die Atombombe ins Paradies gebracht werden konnte erst allein und dann vonTrägerraketen. Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller hatten in diesen unheimlichen acht
oder neun Jahren nach der Kapitulation Japans extrem schizoide Gefühle der Wissenschaft gegenüber - sie erkannten einerseits die Notwendigkeit, andererseits verabscheuten sie
sie wegen der Dinge, die sie eingeführt hatte. Auf der einen
Seite war da ihr Kumpel, der nette kleine Bursche Reddy Kilowatt; auf der anderen Seite konnte man im Kino, noch
bevor die erste Rolle von The Thing anfing, sehen, wie in
einer Armeesimulation eine Stadt genau wie ihre von der
Atombombe vernichtet wurde.
In The Thing spielt Robert Cornthwaite den beschwichtigenden Wissenschaftler, und aus seinem Mund hören wir die
erste Strophe eines Psalms, den die Kinobesucher der fünfziger und sechziger Jahre nur zu gut lernen sollten: »Wir müssen dieses Geschöpf für die Wissenschaft retten.« Die zweite
Strophe lautet: »Wenn es aus einer Gesellschaft kommt, die
weiter entwickelt ist als unsere, muß es in Frieden kommen
Wenn wir nur Kommunikation mit ihm herstellen und herausfinden können, warum es gekommen ist …«
Nur Wissenschaftler, sagt Cornthwaite, sind imstande, das
Wesen aus einer anderen Welt zu studieren, und es muß studiert werden; es muß ausgefragt werden, wir müssen wissen
was seine Raketendüsen antreibt. Gar nicht darauf achten
daß das Ding nur Mordlust gezeigt und ein paar Schlitten’
hunde abgemurkst hat (dabei hat es eine Hand verloren, aber
keine Bange, die wächst nach) und daß es von Blut lebt und
nicht von Pflanzendünger Marke Grüner Daumen.
Gegen Ende des Films wird Cornthwaite zweimal von Soldaten zurückgehalten; auf dem Höhepunkt des Films reißt er
sich los und tritt der Kreatur mit leeren Händen entgegen. Er
fleht sie an, mit ihm zu reden und ihm zu glauben, daß er ihr
kein Leid zufügen will. Die Kreatur sieht ihn einen langen,
bedeutsamen Augenblick an …, und dann schlägt sie ihn
achtlos beiseite, wie Sie und ich eine Stechmücke totschlagen
würden. Dann folgt das Halbgar-Rösten auf dem elektrischen Gehweg.
Ich bin nur ein Schriftsteller und will mir nicht anmaßen,
hier Geschichtsunterricht zu erteilen (das wäre zu sehr, als
wollte man seiner Großmutter beibringen, wie man Eier aussaugt). Aber ich möchte behaupten, daß die Amerikaner damals paranoider waren, was die »Beschwichtigung« betrifft,
als jemals davor oder danach. Die schreckliche Demütigung
von Neville Chamberlain und die daraus resultierende Misere
Englands zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren diesen
Amerikanern noch frisch im Gedächtnis, und warum auch
nicht? Alles war nur zwölf Jahre vor Fertigstellung von The
Thing geschehen, und sogar Amerikaner, die 1951 erst einundzwanzig wurden, konnten sich noch deutlich daran erinnern. Die Moral war einfach - diese Beschwichtigung zahlt
sich nicht aus; man mußte sie aufschlitzen, wenn sie standen,
und erschießen, wenn sie flohen. Sonst übernahmen sie einen
häppchenweise (und im Falle von The Thing konnte man das
wörtlich nehmen). Die Chamberlain-Lektion für die Amerikaner in den frühen fünfziger Jahren war die, daß es keinen
Frieden um jeden Preis geben kann, und niemals Beschwichtigung. Wenngleich die koreanische Polizeiaktion den Anfang
vom Ende dieser Denkweise bedeutete, war die Vorstellung
von Amerika als Weltpolizei (eine Art internationaler Verband der geopolitische Einbrecher wie Nordkorea anknurrte: »Was machste denn hier, Boyo, was soll das denn?«)
1951 noch sehr respektabel, und viele Amerikaner sahen
diese Denkweise zweifellos in noch stärkeren Begriffen: die
Vereinigten Staaten nicht nur als Polizisten, sondern als Revolvermänner der freien Welt, als denTexas Ranger, der 1941
in den brodelnden Salon der asiatischen und europäischen
Politik eingedrungen war und das Haus in weniger als drei
Jahren gesäubert hatte.
In The Thing kommt also diese Szene, als Cornthwaite sich
der Kreatur entgegenstellt - und grob beiseite geschlagen
wird. Das ist ein rein politischer Augenblick,
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