Danse Macabre
feststellen wird, in Phase IV passiert eine
ganze Menge - das feine Klingen des Echten ist vorhanden,
man kann es wahrnehmen; es reicht von der Musik bis zu den
stummen und unheimlichen Wüstenlandschaften, bis zu Bass’
fließender Kamerabewegung und Michael Murphys ruhiger,
unterkühlter Erzählung. Das Ohr hört den Klang der Wahrheit …, und das Herz reagiert.
Ich habe das alles angeführt, um folgendes zu sagen: Auch
das Gegenteil trifft zu. Das Ohr, das ständig an »schöne«
Klänge gewöhnt ist - zum Beispiel die gezierten Weisen von
Kammermusik -, wird nur eine gräßliche Kakophonie hören,
wenn es einer Bluegrass-Fiedel ausgesetzt wird …, aber dennoch ist Bluegrass-Musik ziemlich gut. Das Entscheidende
ist, daß Fans von Filmen im allgemeinen und Fans von Horror-Filmen im besonderen es leicht finden werden - zu
leicht -, den derben Charme von Filmen wie Amityville Horror zu übersehen, nachdem er oder sie Filme wie Repulsion,
The Haunting, Fahrenheit 451 (der für einige ein Science-Fiction-Film sein mag, in Wirklichkeit aber den Alptraum eines
Lesers darstellt) oder Phase IV gesehen hat. Bei der wahren
Wertschätzung von Horror-Filmen kommt eine Vorliebe für
Billigfraß zum Vorschein …, eine These, die wir im nächsten
Kapitel eingehender beleuchten werden. Vorerst wollen wir
es dabei belassen, daß der Fan seine Vorliebe für Billigfraß
auf eigene Gefahr verliert, und wenn ich per Gerücht höre,
daß das New Yorker Filmpublikum über einen Horror-Film
lacht, dann sehe ich ihn mir sofort an. In den meisten Fällen
bin ich enttäuscht, aber hin und wieder höre ich eine verdammt gute Bluegrass-Fiedel, esse ein verdammt gutes Brathähnchen oder werde so aufgeregt, daß ich mir ein paar Vergleiche zusammenschustere, so wie hier.
Das alles bringt uns natürlich zur tatsächlichen Sprungfeder von Amityville Horror und dem Grund dafür, daß der
Film so gut funktioniert: Der Subtext des Filmes ist der eines
wirtschaftlichen Unbehagens, und das ist das Thema, auf das
Regisseur Stuart Rosenberg andauernd anspielt. Was die Zeichen der Zeit anbelangt - achtzehn Prozent Inflation, himmelhohe Hypothekenzinsen, Benzin für lockere ein Dollar
vierzig pro Gallone -, so hätte Amityville Horror, ebenso wie The Exorcist, zu keinem günstigeren Augenblick kommen
können.
Das zeigt sich am deutlichsten in einer Szene, die den einzigen Augenblick wirklicher und aufrichtiger Dramatik des
Films darstellt; eine kurze Vignette, die die Wolken des Mittelmaßes durchbricht wie ein Sonnenstrahl an einem verhangenen Nachmittag. Die Familie Lutz bereitet sich darauf vor,
zur Hochzeit von Cathy Lutz’ jüngerem Bruder zu gehen (der
im Film aussieht, als wäre er noch nicht einmal siebzehn). Natürlich sind sie in dem bösen Haus, als der Vorfall stattfindet.
Der jüngere Bruder hat die fünfzehnhundert Dollar verloren,
die er dem Lieferanten schuldet, und er leidet verständlicherweise unter dem Schmerz von Panik undVerlegenheit.
Brolin sagt, daß er einen Scheck ausstellen wird, der die
Summe abdeckt, und das tut er, und später wimmelt er den
erbosten Lieferanten, der auf Barzahlung bestanden hat, mit
einer geflüsterten Unterhaltung im Badezimmer ab, während
die Hochzeitsparty draußen steigt. Nach der Hochzeit stellt
Lutz das Wohnzimmer des bösen Hauses auf den Kopf und
sucht nach dem verschwundenen Geld, das jetzt ihm gehört
und das der einzige Weg ist, den Scheck zu decken, den er
dem Lieferanten gegeben hat. Brolins Scheck mag kein hundertprozentiger Schüttelscheck gewesen sein, aber in seinen
eingesunkenen, blutunterlaufenen Augen sehen wir, daß er
das Geld ebenso wenig hat wie sein unglücklicher Schwager.
Wir haben einen Mann vor uns, der am Rand des finanziellen
Zusammenbruchs dahintorkelt. Den einzigen Hinweis findet
er unter dem Sofa: ein Geldscheinband mit der Aufschrift
$ 500. Das Band liegt auf dem Teppich und ist leer. »Wo ist
es?« schreit Brolin mit vor Wut, Frustration und Angst bebender Stimme. In diesem Augenblick hören wir das Klingen des
Waterford klar und deutlich - oder, wenn Sie so wollen, wir
hören eine leise Musik in einem Film, der ansonsten nur aus
Tschingdarassabumm besteht.
Alles, was Amityville Horror gut macht, ist in dieser einen
Szene zusammengefaßt. Ihr Hintergrund sagt alles über die
offensichtlichste Wirkung des bösen Hauses - die Wirkung,
die als einzige unbestreitbar ist: Es ruiniert die Familie Lutz
nach und nach finanziell. Der Film hätte auch den Titel Horror des
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