Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Augen. Sah sein schmales, düsteres Gesicht, den Mund, der sich zu einer dünnen Linie zusammengezogen hatte. Tierce Japhrimel strich mir sanft mit den Fingerknöcheln über die Wange. Die Berührung ließ mich erschaudern – mein Körper erkannte ihn, bevor mein Verstand es zu glauben wagte. „Du bist verbrannt“, brachte ich noch heraus, bevor ich wieder zu würgen anfing. „Du bist verbrannt. Du warst Asche…“
„So lange du lebst, lebe auch ich.“ Er lächelte grimmig. „Ich nehme an, das hat dir niemand gesagt.“
Ich schüttelte schwach den Kopf. Sein Geruch – der Geruch eines Dämons, Zimtweihrauch und bernsteinfarbener Moschus – hüllte mich ein und füllte meine Lungen. Endlich konnte ich wieder atmen, ohne mit jedem Atemzug den Gestank absterbender Zellen in mich einzusaugen. Sein Geruch schien meine missbrauchten Eingeweide zu beruhigen und wohltuend durch meine Adern zu fließen. „Ich habe es versucht“, flüsterte ich. „Bücher… Magi.“ Wieder holte ich tief Luft – so lange ich das noch konnte, bevor die Halluzination unweigerlich enden würde. Es war so überaus angenehm, nicht den Gestank sterbender menschlicher Zellen riechen zu müssen.
Menschlich. Menschliche Zellen. Der Gedanke an Menschen rief mir ins Bewusstsein, wo ich mich befand.
Ich versuchte auf die Füße zu kommen, was mir auch gelang, allerdings nur, weil er mich auffing. „Ganz ruhig. Es ist ungefährlich.“
„Aber… das… Mirovitch.“
„Ist das sein Name?“ Japhrimel trat einen Schritt zur Seite.
Auf dem Boden lag breitbeinig und mit Ektoplasma überzogen Kellerman Lourdes. Er sah benommen aus, die Augen tief in den Kopf gesunken, der Körper völlig schlaff. Ein Bein war seltsam verdreht, vermutlich war der Oberschenkel gebrochen. Ich zuckte zusammen. Der Schleim, der ihn überzog, pulsierte, und dann riss Kellerman den Mund auf und schrie. Der gebrochene Knochen heilte sich knarzend und knirschend selbst.
Immer noch hallte Christabels Stimme wie ein Gong in meinem Kopf wider, und es klang, als würde sich das Schicksal erfüllen.
Erinnere dich, Dante. Erinnere dich. Für uns.
Wieder drehte sich mir der Magen um, aber es gelang mir, ihn zu beruhigen. Japhrimel hatte mir die Hände auf die Schultern gelegt. „Dante? Ich nehme an, du hast nicht vor, mir das zu erklären.“ Das klang sanft, aber seine leicht hochgezogene rechte Augenbraue verriet, dass er sich nur mühsam beherrschen konnte.
Ich verschlang ihn mit den Augen. Wenn er nur eine Halluzination war, dann wollte ich mir wenigstens jedes Detail ins Gedächtnis brennen. Aber dafür blieb keine Zeit. Lourdes stieß ein gurgelndes Geräusch aus.
„Helft mir hoch.“
Die Halluzination meines toten Liebhabers musterte mich nachdenklich. Einst waren seine Augen leuchtend grün gewesen, genau wie Luzifers. Aber seit er mich in das verwandelt hatte, was ich jetzt war, waren sie sehr viel dunkler. Ohne das weiß glühende Licht sahen sie wie alterslose menschliche Augen aus, unendlich tief und mir so vertraut wie meine eigenen. Heiße Tränen stiegen in mir hoch, aber ich schluckte sie hinunter.
Lourdes rollte sich auf die Seite und stemmte sich mit unmenschlicher Kraft auf Hände und Knie hoch. Dann fiel er jedoch wieder in sich zusammen und lag da wie eine zerbrochene Marionette, das schon fast geheilte Bein in einem unmöglichen Winkel seitlich verdreht. Er murmelte etwas Unverständliches. Das gleißend blaue Licht pulsierte. Lourdes stieß mit menschlicher Stimme einen Schrei aus, der schließlich in ein Gurgeln überging.
„Ich erklär’s dir später.“ Jedes Wort kostete mich unendlich viel Kraft.
Wie üblich verschwendete Japhrimel keine Zeit mit Fragen. Sein langer schwarzer Mantel mit dem hohen Kragen – Flügel, die sich als Kleidung tarnten – war immer noch derselbe, nur trug er jetzt statt schwarzen Jeans dunkelblaue, dazu neue Stiefel, die noch nicht den geringsten Kratzer hatten.
Ektoplasmaflocken wirbelten knisternd um mich herum zu Boden. „Du hast mich gefunden“, sagte ich schluchzend. Und dabei hatte ich gedacht, ich hätte jede Möglichkeit, ihn wieder zum Leben zu erwecken, gründlich zerstört. Das war doch meine Buße gewesen. Was sollte ich jetzt tun?
„Natürlich. Du trägst mein Mal. Hast du geglaubt, ich sei tot, Dante?“
Ja, ein Jahr lang hast du ganz schön tot ausgesehen, wie ein verdammter Haufen Asche. Und Luzifer hat mich mit Briefen bombardiert. „Das wirst du mir erklären müssen“,
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