Dante Valentine 02 - Hoellenritt
und mich angestachelt hatte, dies zu Ende zu bringen. Nur das Erbarmen zählte. Erbarmen mit allen Überlebenden, mit Eddie und mit Polyamour.
Mit allen, auch mit mir selbst.
Und am meisten mit ihm, dem unsichtbaren Kind, das sich in Gefahr begeben hatte, um uns alle zu retten, so wie Jace an mir vorbeigestürzt war, um mich zu retten. Damit waren alle Bilanzen ausgeglichen, bis auf die eine. Das tiefe Summen der Klinge dröhnte durch den Raum. Das Schwert war bereit, den Kreis zu schließen.
Lourdes schloss die Augen. Doch dann riss er sie wieder auf, und das kalte blaue Licht war wieder da – Mirovitch, der mich aus Kellers Augen anstarrte.
Mitgefühl ist nicht deine größte Tugend, Danyo-chan.
Oh doch, sagte ich mir. Götter helft mir, das nicht zu vergessen. Für sie alle. Für all die Kinder Ich schlug zu. Es war ein sauberer, mit äußerster Genauigkeit ausgeführter Streich, in den ich meine gesamte Kraft legte. Mein Kia erhob sich mit einem kurzen, spitzen Schrei wie der eines Falken oder wie der Todesschrei einer streunenden Katze.
Eine Blutfontäne schoss aus Lourdes’ Nacken, und Japhrimel riss mich von ihm weg. Das Schwert gab ein kreischendes Geräusch von sich und sprühte Funken wie ein lebendiger, blauweißer, metallener Blitz. Blut spritzte von der Klinge, und von einem Moment auf den nächsten war sie wieder sauber. Ohne nachzudenken schob ich das Schwert in einer fließenden Bewegung in die Scheide zurück.
Durchdringendes psychisches Geheul hob an, als Mirovitch sich verzweifelt ans Leben klammerte, als sein Ka wie irrsinnig nach etwas, irgendetwas suchte, an das es sich hängen, in dem es sich reproduzieren konnte. Brennendes Ektoplasma wallte auf. Ich lehnte mich gegen Japhrimel, und wieder stellte er keine sinnlosen Fragen, legte nur den Arm um mich und stand einfach da und beobachtete, wie die Blutfontäne allmählich kleiner wurde. Das Blut mischte sich mit dem Ektoplasma, und der Gestank eines sich entleerenden Darms drang mir in die Nase.
„Japhrimel. Verbrenn ihn. Bitte.“
Der gefallene Dämon ließ sich das nicht zweimal sagen. Er hob seine goldene Hand, und gehorsam entzündete sich ein Feuer, grub sich als rote, flüssige Dämonenflamme in den Beton und brachte das Blut zum Zischen. Ein süßlicher Geruch wie nach gebratenem Schwein durchtränkte die Luft, und Schatten glitten über die Wände der Cafeteria. Die Hitze nahm zu und ließ das Linoleum verkohlen und die Deckenfarbe Blasen schlagen.
Schließlich erloschen die Flammen. Ich vergrub das Gesicht an Japhrimels Schulter. „Du wirst dich in Luft auflösen“, flüsterte ich in seinen Mantel, obwohl ich wusste, aus was dieser gemacht war. „Bleib wenigstens noch einen Moment lang da, bitte, nur eine Minute, eine Sekunde…“
„Dante.“ Seine Finger zausten mein ohnehin schon zerzaustes Haar. „Ich habe gehört, dass du mich gerufen hast. Ich habe versucht dir zu antworten.“
„Nur ein paar Sekunden.“ Ich vergrub mein Gesicht noch tiefer in seinem Mantel, und er legte auch den anderen Arm um mich. Tief atmete ich den Geruch nach Zimt, nach bernsteinfarbenem Moschus ein, den tödlichen, rauchigen, nichtphysischen Geruch der Dämonen. „Bevor ich diesen ganzen Scheißladen abfackeln muss.“
„Ganz ruhig. Ich bin bei dir. Ich bin dir nie von der Seite gewichen. Ich habe dir doch gesagt, du wirst mich diese Welt nicht allein durchstreifen lassen.“
Ich schloss die Augen. Meine Beine fühlten sich wie Gummi an. Mirovitch war tot. Kellerman Lourdes war tot.
Jace war tot. Der Kreis hatte sich geschlossen.
Meine Knie gaben nach. Japhrimel fing mich auf und murmelte etwas in mein Haar. Ich musste plötzlich weinen, und die Schluchzer schüttelten mich, als hätte ein bösartiges Tier seine Zähne in mich geschlagen. Blutiger Rauch waberte durch die Cafeteria, und die Aschereste, die einst Kellerman Lourdes gewesen waren, wurden von einer sanften Brise hochgewirbelt, die durch die zerbrochenen Fenster hereinwehte. Ich weinte, bis ich völlig erschöpft in eine Art Trance glitt, in die nur die Worte drangen, die Japhrimel mir ins Ohr flüsterte, während er mich von diesem Ort des Todes wegtrug. Und dann hörte ich noch die Flammen hochschlagen, als er tat, worum ich ihn gebeten hatte, und den Albtraum Rigger Hall bis auf die Grundmauern niederbrannte.
37
Sonnenlicht fiel durch die Fenster des Polizeireviers, aber in Gabes Büroabteil brannte trotzdem eine Vollspektrallampe. Auf ihrem
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