Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Jagden in nicht mal sechs Monaten, keine davon ein Kinderspiel, und er hatte sich kein einziges Mal beschwert. Nicht nur das, er hatte sogar darauf bestanden mitzukommen, und ich hatte jedes Mal nachgegeben. Ich hatte es zugelassen, war mit ihm umgegangen, als wäre alles wieder wie früher, als er mir beigebracht hatte, wie man jemanden aufspürt, wie man seine Intuition am besten einsetzt, wie man eine Spur aufnimmt und an ihr dranbleibt, wie man die Beute riecht und zu dem wird, was man jagt, und wie man Klienten findet, die einen auch für nicht legitimierte Jagden anheuern, ohne dass man die Beute gleich umbringen muss.
Gib’s zu, Danny. Du willst ihn nicht aus den Augen lassen. Du hast Angst, er verschwindet und kommt nie mehr wieder, oder du kommst zurück, und das Haus ist leer.
Das kam der Wahrheit unangenehm nahe. Die Tatsache, dass Jace nie nach Japhrimel fragte, machte es leichter, so zu tun, als würde sich nichts abspielen, als würden wir einfach nur zusammenwohnen. Zwei Leute eben, die sich ein Haus und ein lukratives Kopfgeldgeschäft teilen, dazu ein sorgfältig abgestimmter Tanz, bei dem er auf mich zuging, während ich zurückwich, aber nie schnell oder weit genug.
Ob er darauf wartete, dass ich Japhrimel vergaß?
Es waren doch nur ein paar Tage, Danny. Er hat dir Lügen über Doreens Tochter erzählt, und über Santino und Luzifers Pläne ebenso. Wieso haben alle Männer, in die du dich verliebst, eigentlich so eine Abneigung gegen die Wahrheit?
„Wenn Sie sich jetzt bitte auf den Rücken legen“, sagte Sierra leise, was ich auch tat, während sie das Laken über mich hielt.
Dann legte sie mir die Nackenrolle in die Kniekehlen und begann, die Vorderseiten meiner Beine durchzukneten. Das Plätschern des Wassers im Brunnen hatte eine beruhigende Wirkung auf mich, ebenso der Geruch der Kyphii und Sierras kräftige Finger. Sie wusste genau, wo mir etwas wehtat. Was würde ich darum geben, wenn ich das hier schon als Mensch hätte erleben dürfen! Aber als ich noch ein Mensch war, hätte ich diese Art von Berührung niemals zugelassen, auch nicht, wenn ich dafür hätte bezahlen und mich damit aller Verpflichtungen entledigen können.
Auch meinen Oberkörper massierte sie, ließ die linke Schulter jedoch aus. Ich vermied es, einen Blick auf die fließende Glyphe mit ihren von Narben gezeichneten Umrissen zu werfen, die mehr nach Schmuck als nach einem Brandmal aussah und die Markierung eines Dämons war. Ob das sein Name ist?, fragte ich mich, und das nicht zum ersten Mal. Oder heißt es vielleicht nur: „Zum Verzehr empfohlen bis spätestens…“ Luzifer hatte es mir eingebrannt, so wie Nichtvren ihre Leibeigenen markieren. Vielleicht ist es wirklich so etwas wie ein Brandmal. Eine Gefühlswallung machte sich in meinem Magen breit, eine hübsche Mischung aus Hitze und Abscheu. Japhrimels Mund auf meinem, seine Haut an meiner, die Sprache der Begierde, die keiner Übersetzung bedarf… Meine Ringe leuchteten auf und glommen dann wieder träge vor sich hin. Meine Aura glühte von den verschlungenen, schwarz-diamantenen Flammen eines Dämons und den Funken, die eine Nekromantin ausmachen. In der ganzen Psinergielandschaft gab es niemanden, der mir ähnelte.
Die Massage endete damit, dass Sierra meinen Zopf löste und mir die Kopfhaut massierte. Ich hatte nie geahnt, was für eine Spannung sich in den dünnen Sehnen und flachen Muskeln oberhalb der Schädelbasis aufbauen kann. Ich mochte es besonders, wenn sie meinen Zopf entflocht – das war, als würde Doreen wieder mit meinem Haar spielen.
Doreen. Dies schien ein Tag zu sein, an dem überall nur unangenehme Erinnerungen lauerten. Ich wünschte mir, Trina von der Agentur würde anrufen und mir mitteilen, dass sie einen weiteren Auftrag für mich hatte. Es musste doch da draußen irgendwo einen Job geben, der mich so in Atem hielt, dass ich keine Zeit mehr hatte, vor mich hin zu brüten.
Und Erinnerungen nachzuhängen. Erinnerung, Wut und Schuld – meine ganz persönliche heilige Dreifaltigkeit. Ein prima Treibstoff, der in Kopfgeldjagden und Gerechtigkeit floss. Hatte es in meinem Leben eigentlich jemals so etwas wie Leichtigkeit gegeben?
Tja, wir könnten der Liste natürlich noch Scham hinzufügen, nicht wahr? Ich schämte mich, dass ich immer noch einem toten Dämon hinterhertrauerte – einem Dämon, den ich nur ein paar Tage gekannt und der mich in etwas verwandelt hatte, das selbst meine Freunde nur mit Mühe anschauen
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