Dante Valentine 03 - Feuertaufe
und mein Hals sich wie zugeschnürt anfühlte.
Ich nahm den einzigen Fluchtweg, der mir noch geblieben war – und schloss die Augen, atmete möglichst gleichmäßig und suchte den vollkommen stillen Ort in meinem Innern auf, der mich noch nie im Stich gelassen hatte. „Anubis et’her ka“, flüsterte ich. „Se ta’uk’fliet sa te vapti kuraph!“ Mein Mund war wie ausgetrocknet, mein geflüstertes Gebet alles andere als perfekt. „Anubis, Herrscher über die Toten, treuer Begleiter, beschütze mich, denn ich bin Dein Kind. Schütze mich, Anubis, lege mein Herz auf Deine Waagschale; wache über mich, Herr, denn ich bin Dein Kind. Lass das Böse mir kein Leid zufügen, sondern wende Dich mit aller Schärfe gegen meine Feinde. Behüte mich mit Deinem Blick, halte Deine Hand über mich, jetzt und alle Tage meines Lebens, bis Du mich in Deine Arme schließt.“ Ich atmete tief ein und versuchte es erneut. „Anubis et’her ka. Se ta’uk’fliet sa te vapu kuraph. Anubis, Herrscher über die Toten …“
Vor meinem inneren Auge loderte die blaue Flamme auf. Ich sah zwar weder die Halle der Unendlichkeit noch die Brücke oder den Brunnen der Seelen, doch das blaue Licht hüllte mich ein, und das reichte mir. Mit einem dankbaren Seufzer überließ ich mich dem Trost meines Gottes.
35
Das Zimmer maß vierundzwanzig Schritte von der Wand mit der schwarzen Tapete bis zur Tür, die zum Flur führte, von dem wiederum ein riesiges Bad abging. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich die Schritte mitzählte, während McKinley pausenlos hin und her rannte. Japhrimel saß mit überkreuzten Beinen einen guten Meter von mir entfernt auf dem Teppich und schwieg. Er hatte die Augen geschlossen und wartete, seinen Mantel hinter sich über den Boden ausgebreitet.
So vergingen die Stunden. Ich hatte jede Menge Zeit nachzudenken und fiel immer wieder in einen Trancezustand, als ich meinen Gott ein ums andere Mal anrief. Meine Brust schmerzte, ich bekam kaum Luft und hatte außerdem Hunger. Dennoch schüttelte ich bloß den Kopf, als McKinley fragte, ob ich frühstücken wollte. Und als er mich wegen Mittagessen fragte, schüttelte ich wieder den Kopf, und dann noch ein drittes Mal, als es Zeit zum Abendessen war.
Japhrimel saß aufrecht da, sein Ausdruck so verschlossen wie das Zimmer selbst. Ich hätte gern heiß geduscht und mich richtig ausgeweint, doch ich wollte verflucht sein, wenn ich ihnen diese Genugtuung gönnte. Stattdessen musterte ich Japhrimels Gesicht, bewunderte die mit Goldlilien gemusterte Tapete, ließ den Blick über die blaue Bettdecke schweifen, danach über das Teppichgewebe und landete schließlich wieder bei Japhrimel. Wie oft hatte ich ihm über die Wangen gestreichelt, hatte neben ihm gelegen und ihm Dinge erzählt, die ich keinem anderen Lebewesen je verraten hatte?
Welch unmenschliche Geduld brauchte man, um so lange mit mir zusammenzuleben, ohne mir etwas vom Wunsch des Teufels nach einem Treffen mit mir zu sagen? All die Geschenke, die Trainingskämpfe, seine sanften Berührungen und seine Küsse.
Das konnte für ihn doch nicht alles nur ein Spiel gewesen sein. Das war unmöglich.
Ich wusste, dass der Teufel es nicht gut mit mir meinte. Ich wusste, dass andere Dämonen mir an den Kragen wollten, weil Luzifer mir in mein Leben reingepfuscht hatte. Aber an Japhrimel hatte ich seit seiner Wiedererweckung niemals gezweifelt. Immerhin war er ein Gefallener, oder?
Oder? Selbst Luzifer hatte das bestätigt. Aber weder der Teufel noch Japhrimel hatten mir näher erläutert, was es genau bedeutete.
Die Richtung, die meine Gedanken nahmen, gefiel mir gar nicht. Was bedeutete Gefallener denn nun wirklich? Was hatte Japhrimel beim Anhelikos holen wollen? Wer versuchte, mich zu töten, und aus welchem Grund? Und was führte Luzifer wirklich im Schilde? Ganz gewiss nicht das, was er mir bei unserem ersten Treffen aufgetischt hatte – dass ich schlicht und ergreifend vier Dämonen zur Strecke bringen sollte, und schon wäre mein Dienst abgelaufen und Danny Valentine wieder frei von jeglicher dämonischer Einmischung.
Mir kam ein zweiter Gedanke, schlimmer als der erste.
Nehmen wir null an, Japhrimel hätte sich heimlich mit (lern Teufel getroffen, während ich schlief. Einfach mir mal so. Was haben sie ausgeheckt? War alles nur Show?
Aber Japhrimel hatte mich beschützt, oder? Er hatte mich aufgespürt, mich gefunden und gebeten, ihm zu vertrauen, und mich vor den Höllenhunden gerettet.
Das
Weitere Kostenlose Bücher