Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
nur einen Moment lang aus den Augen verloren hatte. Ich werde wohl langsam vergesslich. Schuldgefühle drückten mich. Ich hätte mir einen Plan zurechtlegen sollen, wie ich auch den Rest von ihnen zur Strecke hätte bringen können. Ich hätte eigenhändig aber auch wirklich jeden ausschalten sollen, der irgendwie in diese schmutzige Geschichte verwickelt war. Das war ich Gabe schuldig.
Es war eine Schuld, die ich nicht würde abtragen können. Jetzt hatte ich schon zweimal mein Wort gebrochen, gegenüber Luzifer und gegenüber meiner besten und einzigen Freundin.
„Das Versteck wirst du mir wohl kaum verraten, nehme ich an.“ Horman seufzte.
„Nicht, nachdem das halbe Revier in ein Mordkomplott gegen ihre Mutter verstrickt war. Das kannst du vergessen.“ Mein Tonfall war ebenso sarkastisch. Der Geruch nach faulem Obst und Gewürz, der von meinem Blut ausging, wurde vom Nebel gedämpft, der immer dichter wurde und die Welt um uns hemm in dicke Baumwolle einpackte.
„So viele sind es auch wieder nicht, Leichenfrau. Nur ein paar korrupte Bullen.“ Sein Hals bekam rote Flecken, sein Atem roch nach Soja-Whiskey Marke Chivas. Seine Krawatte hing schief, und auf dem Hemd hatte er einen Fleck, der verdächtig nach Senf aussah.
Ich lebe noch. Ich atmete hörbar aus. Die Verantwortlichen von Herborne distanzierten sich bereits und behaupteten, Mercy habe nicht auf ihre Anweisung hin gehandelt. Horman und mir zeigte dieses Vorgehen nur, dass sie die Bande für den Mord an Eddie bezahlt hatten. Vor Gericht würde das alles ans Tageslicht kommen, und den Konzern würde man zerschlagen. Das würde Schlagzeilen machen.
In Gil Pontsides Taschen hatte man unter anderem einen tragbaren EMP-Generator entdeckt, der eigentlich in ein gesichertes Schließfach im Polizeirevier gehörte. Annette Gameron wurde von Kugeln durchsiebt im Tank District gefunden. Ihr Datband blinkte noch rot. Ich fragte mich, ob die Kugeln aus derselben Waffe stammten, mit der auch Eddie und Gabe erschossen worden waren, und ob ich oder die Tanner-Familie letztlich auch an ihrem Tod schuld waren.
Ich fragte mich auch, wie Asa Tanner den Angriff der Dämonen auf sein Haus überlebt hatte, als sie mich gefangen genommen und zu Eve gebracht hatten. Waren wir jetzt quitt, der Werwolf-Mafiaboss und ich?
Hatte Japhrimel sich schon befreit?
Höchste Zeit, dass ich wieder an die Arbeit gehe. Meine Anspannung machte sich in den Schultern schmerzhaft bemerkbar. Also lockerte ich sie und rammte das Schwert durch die Schlaufe an meinem Rüstzeug. Ich traute mir immer noch nicht so ganz über den Weg. „Ich habe noch was zu erledigen“, sagte ich schließlich, als die Stille zwischen uns selbst mir zu viel wurde. „Sehe ich das richtig, dass ich mit euch tapferen Jungs und Mädels in Uniform keine Probleme mehr habe?“
„Leck mich.“ Horman sah elend aus. Das konnte ich ihm nicht verübeln.
„Du mich auch.“ Ich drehte mich um. Unter meinen Stiefeln knirschte das Eis auf dein spiegelglatten Pflaster. Durch die Einschusslöcher in meiner Kleidung drang die kalte Nachtluft. Ich brauchte dringend neue Klamotten.
„He, Valentine“, rief mir Horman hinterher.
Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht zu ihm um. Mein Nacken fühlte sich an wie aus Stahl, meine Schultern waren hart wie Gleiterkabel. Der Eindruck, beobachtet zu werden, kehrte zurück, stärker als je zuvor, und zerrte schwer an meinen Nerven. Der Fehdering war wieder silbrig und eiskalt.
So kalt, wie ich mich innerlich fühlte. „Was willst du?“ Sei vorsichtig, was du sagst, Schätzchen. Ich habe ausgesprochen miese Laune.
Die Untertreibung des Jahres. Ich stand kurz davor, in die Luft zu gehen, und dann wäre wohl niemand mehr sicher, der mir in die Quere kam. Egal ob schuldig oder nicht.
„Du bist eine gute Freundin.“ Ausnahmsweise meinte er das nicht spöttisch. Wahrscheinlich hatte er warten müssen, bis ich ihm den Rücken zukehrte, um mir das zu sagen. „Gabe wäre stolz auf dich gewesen.“
Ich habe mein Versprechen nicht erfüllt. Ich habe ihren Mörder – Eddies Mörder – am Leben gelassen. Ich habe den Mann zurückgewiesen, den ich liebe, und ich stehe kurz, davor, erneut mein Wort zu brechen und mich gegen den Teufel zu stellen, der mit mir deswegen sehr unzufrieden sein wird, wenn er es nicht ohnehin schon ist. „Danke.“ Mir versagte die Stimme.
Er sagte nichts weiter, und ich ging geradewegs auf Gabes Gartentor zu, dem Rest meiner Probleme
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