Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
würden kleine Knochen brechen. Ich zuckte zusammen und zog mein Schwert. Blaue Flammen glitten über die scharfe Klinge, offenbar froh darüber, frei zu sein. Der Armreif an meinem Handgelenk dröhnte und zog mich weiter, als hinge er an einer dünnen Kette. Wie ein Bluthund an der Leine.
Wenn ich schon nicht das Blut des Verräters vergießen konnte, würde ich eben versuchen, einen Dämon zu töten. Natürlich würde ich dabei sterben – ich konnte keinen Dämon töten, egal wie niedrig sein Rang war.
Konnte ich das wirklich nicht? Ich hatte einen Höllenhund umgebracht. Bei der Erinnerung an die Klauen, die sich in meinem Brustkorb verfangen hatten, entfuhr mir ein gedämpfter Laut. Auch einen Imp hatte ich getötet, mithilfe einer Menge reaktiver Farbe.
Ein Höllenhund ist nicht dasselbe, Dante. Und ein Imp genauso wenig. Was du vorhast, ist Selbstmord. Ja, das war es. Aber was blieb mir sonst? Selbst die treulosesten Verräter können etwas wiedergutmachen, indem sie den Zeitpunkt ihres Todes selbst wählen.
„Werde mich nur mal ein bisschen mit einem alten Freund unterhalten“, flüsterte ich. Das eisige Kichern, das aus meinem Mund drang, tröstete mich keineswegs. Es hatte auch nichts Lustiges an sich.
Ich betrat das Gebäude, das ich erst am Nachmittag verlassen hatte. Für mich fühlte es sich an, als wäre das in einem früheren Leben gewesen. Eve war nicht mehr hier, und Japhrimel höchstwahrscheinlich auch nicht … Aber ich dachte mir, irgendjemand könnte sich gut hier verstecken. Jemand, der mir schon einmal über den Weg gelaufen war. Die Vorahnung trieb mich weiter, und der kühle Glanz des Fehderings schien mich zu führen.
Das Mal an meiner Schulter war wie ein Handschuh aus angenehmer Hitze. Wie aus großer Entfernung versuchte es, sich durch die Eishülle zu graben. Der Armreif wurde matt. Sein grünes Licht dehnte sich vor mir aus, zeigte mir den Weg und lockte mich durch das Labyrinth.
Götter, steht mir bei. Den Kopf hoch erhoben, das Schwert angriffsbereit, betrat ich die Höhle des Löwen.
Die Schule mit ihren kahlen weißen Wänden und den Räumen, in denen es keine Möbel mehr gab, wirkte wie die Kulisse eines Films. Alles war verschwunden – alles außer dem sehwachen Hauch von Moschus und dem Dröhnen in der Luft, dem Klang von Gelächter, dem leisen Flüstern, das für menschliche Ohren gerade nicht mehr wahrnehmbar war. Gemeine kleine Stimmen, die spotteten und winselten, während sie gleichzeitig schrien und um ihre Befreiung bettelten.
Ich weitete mein Bewusstsein über die Grenzen meiner Schutzschilde hinweg aus. Psinergie wirbelte unangenehm hin und her, und mein würziger Moschusgeruch vermischte sich mit einer dunkleren Ausdünstung. Diese Ausdünstung kannte ich. Eine Gänsehaut lief mir den Rücken hinauf, kräuselte die Oberfläche meines Oberarms und dehnte sich bis über meine Unterarme aus. Mir klapperten die Zähne, bis ich sie schließlich so fest zusammenbiss, dass mir der Nacken schmerzte. Aber meine Kampfhaltung war nach wie vor gut, und so kontrollierte ich die Flure und die leeren Zimmer und arbeitete mich weiter zu einem fast schon vertrauten Teil des Gebäudes vor.
Der Turnhalle.
Den Grundriss der Schule hatte ich genau im Kopf. Schließlich hörte ich einfach auf, die einzelnen Räume zu überprüfen, und wanderte langsam durch die Flure. Der Nebel, der von der Bucht aufstieg, hüllte das gesamte Gelände ein wie eine Baumwolldecke aus Stille. Es hätte auch die letzte Nacht der Welt sein können.
Vielleicht ist es das ja auch. Der Armreif an meinem linken Handgelenk zog mich weiter, und ich leistete keinen Widerstand.
Mein Selbsterhaltungstrieb erhob meuternd die Stimme, aber ich achtete nicht auf ihn. Es gab nur eins, was ich jetzt tun konnte, eine Tat, die nur ich vollbringen konnte.
Luzifer wollte mich töten.
Prima. Aber ich war diejenige, die Ort und Zeit gewählt hatte.
Als ich näher kam, öffnete sich die Tür zur Turnhalle ein wenig, ohne dass ich sie berühren musste. Die Turnhalle war in gedämpftes rötliches Licht getaucht, in dem ich in Leder gebundene Bücher und einen Teppich erkennen konnte, der in verschiedenen Rottönen gemustert war. Ich roch Rauch von einem Holzfeuer und hörte Flammen knistern.
Mit der Tür stimmte etwas nicht. Sie pulsierte, und der Sturz schwankte hin und her wie Seegras. Ich blinzelte, weil ich hoffte, dass mich meine Augen zum ersten Mal in meinem langen, zornigen Leben trogen. Die Luft knisterte
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