Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
Blick aus den
dunklen, fast schwarzen Augen, schien sich in ihn zu bohren.
„Um mit dem Schicksal zu verhandeln“, erwiderte
Kilian.
„Ich höre.“
Kilian straffte sich und wandte den Blick nicht
ab, auch wenn ihm noch so unbehaglich zumute war. „Ich möchte mit meiner
Schwester die Lebenszeit tauschen.“
„Warum?“
„Damit sie diejenige ist, die lange lebt und
ich an ihrer Stelle jung sterbe.“
Danyel lachte laut auf. Doch es hatte nichts
Fröhliches an sich. Das Schicksal beantwortete seine Aussage mit höhnischem
Gelächter und es erstarb so plötzlich, wie es begonnen hatte.
„Weshalb solltest du das tun? Weshalb sollte
ich das gewähren? Ein jeder lebt so lange, wie es bei der Geburt
festgeschrieben wird – sofern ihr es nicht selbst verbockt. Was hast du mir zu bieten?“
„Ich besitze nicht viel. Und ich bitte um einen
einfachen Tausch …“
„Auch ein einfacher Tausch ist nicht umsonst!“,
donnerte Danyel dazwischen. „Ich will kein Geld, keinen Besitz.“ Langsam
schritt er auf Kilian zu, blieb dicht vor ihm stehen und ging dann in die
Hocke.
Kilian hielt vor Angst die Luft an. Aus der
Nähe in die schwarzen Augen zu blicken erschien ihm, als würde er in einen
Abgrund gesogen.
„Bitte abgelehnt“, zischte er und erhob sich.
Mit großen Schritten eilte er davon.
„Aber …!“, rief Kilian ihm nach.
Danyel drehte sich um. Kilian glaubte, wenn
Blicke töten könnten, wäre er auf der Stelle tot umgefallen.
„Du wagst es? Geh mir aus den Augen, du Wurm!
Ihr Menschen seid nichts als jammernde Kreaturen, die nicht zufrieden sind mit
dem, was sie haben!“
Kilian blieben die Worte im Hals stecken. Was
sollte er jetzt auch noch sagen?
Starr vor Enttäuschung kniete er auf dem harten
Boden und bemerkte erst, als es zu spät war, dass Danyel umgekehrt war. Ein
schwarzer Stiefel schoss auf seinen Brustkorb zu …
In diesem Moment war er aufgeschreckt und in
die Wirklichkeit zurückgekehrt. Die Angst, dass dieser Albtraum ein schlechtes
Omen wäre, ließ sich nicht vertreiben. Doch er wollte und durfte die Hoffnung
nicht aufgeben, dass die Verhandlung erfolgreich verlaufen würde.
An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Bis zur
Dämmerung wälzte er sich unruhig hin und her. Ob es nun Marias Worte gewesen
waren, oder seine eigene Fantasie, die mit ihm durchging, spielte kaum eine
Rolle. Die Bilder in seinem Kopf ließen sich nicht mehr verjagen. Schließlich
fiel er doch wieder in den Schlaf. Diesmal traumlos.
Warme Sonnenstrahlen kitzelten ihn wach. Kilian
streckte sich und im Tageslicht erschien ihm der schräge Traum gar nicht mehr
so beängstigend. Eher wie ein gruseliges Abbild seiner Furcht, es könnte etwas
schief gehen. Es mochte zutreffen, dass dem Schicksal menschliche Gefühle fremd
waren. Dennoch glaubte er, überzeugend genug auftreten zu können, dass der
Tausch vollzogen würde.
Was Maria als selbstlos bezeichnet hatte,
nannte er eher egoistisch. Und feige. Er konnte sich nicht vorstellen, sein
Leben ohne seine Schwester zu führen. Wenn Monja starb, würde er auch sterben –
innerlich. So ging er lieber den Handel ein, verzichtete auf sein eigenes
Leben, damit seine Schwester ein längeres haben könnte. Er war sich bewusst,
dass Monja wütend, unglücklich und enttäuscht reagieren würde. Und doch war
Kilian sicher, dass sie ihre große Liebe fände, dass sie Kinder bekäme und
schließlich glücklich wäre. Irgendwann könnte sie akzeptieren, was er getan hatte
und mit einem Lächeln auf den Lippen an ihn denken. Was ihre Mutter anging … na
ja, da war er sich sicher, dass sie nicht nur wütend, sondern stinksauer wäre.
Aber damit kam er klar.
Er schwang sich aus dem Bett und stellte mit
Erstaunen fest, dass es fast schon Mittag war. Frühstück konnte er demnach
vergessen …
Nach einer Dusche und mit frischen Sachen am
Leib fühlte er sich gleich, wie ein neuer Mensch. Sein Gepäck ließ er im
Zimmer, schloss ab und lief die Treppe hinunter.
„Hallo? Maria? Sind Sie da?“, rief er.
„Hier!“, schallte es aus dem Büro-Wohnzimmer.
Kilian schob die angelehnte Tür auf.
„Entschuldigung.“
„Für was? Weil du geschlafen hast, wie ein
Murmeltier?“
Er zuckte mit den Schultern. Es war eigenartig,
aber es machte ihm nichts aus, dass sie ihn duzte.
„Hunger? Ich mache dir ein spätes Frühstück.
Ach, meine Tochter kommt um zwei – sie macht Stadtführungen, wenn du willst,
kannst du mitgehen und dir das schöne ‚Roma‘ ansehen“,
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