Daphne - sTdH 4
redete und redete,
eine ebensolche Qual für Mr. Archer sein würde wie für sie selbst.
Die
Gentlemen erhoben sich, Lady Godolphin klingelte, und sie wurden
hinausgebracht.
Nachdem
Daphne hinaufgegangen war, saß Lady Godolphin da und dachte an Colonel Arthur
Brian. Je mehr sie dachte, desto unglücklicher fühlte sie sich. Es war alles
so hoffnungslos. Sie würde ihn nie wiedersehen.
Ihre
Gedanken waren so düster, so unaussprechlich hoffnungslos, so verzweifelt, daß
sie beinahe erleichtert war, als Mice ankündigte, daß Mr. Garfield
zurückgekommen sei.
Lady
Godolphin lebte etwas auf, wie immer, wenn sie einen gutaussehenden Mann sah.
»Haben Sie
etwas vergessen, Mr. Garfield?« fragte sie. »Entschuldigen Sie, daß ich nicht
aufstehe. Ich fühle mich nicht gut.«
Mr.
Garfield betrachtete die plumpe Gestalt von Lady Godolphin, die da auf dem
Sofa ausgestreckt lag, mit belustigter Anteilnahme.
»Ich will
Ihnen nicht viel Zeit rauben, Mylady. Aber was ist mit Miss Daphne los? Sie hat
irgendeinen großen Kummer.«
»Ach, puh!«
seufzte Lady Godolphin. »Sie hat in einem Schmierentheater mitgespielt. Aber
es ist jetzt wieder in Ordnung, oder vielmehr dann, wenn ich mit ihrer
launischen Schwester gesprochen habe.«
»Ich glaube
nicht, daß ich Miss Daphne gleichgültig bin«, sagte Mr. Garfield und schritt
durch das Zimmer. Lady Godolphin beobachtete das Spiel seiner Muskeln auf den
Schenkeln und seufzte genüßlich. »Ich habe ihr in Brighton gesagt, daß ich sie
heiraten möchte, und sie war einverstanden. Ich habe ihr nicht direkt einen
Heiratsantrag gemacht, aber ich habe ihr gesagt, daß ich am nächsten Tag ihren
Vater aufsuchen wolle. Dann habe ich nichts weiter erfahren, als daß sie
Brighton verlassen hatte, ohne auch nur eine Nachricht zu hinterlassen, und daß
sie sich kurz darauf mit Mr. Archer verlobt hat.«
»Und ich
dachte, sie hat mir alles erzählt«, klagte Lady Godolphin. »Als ob es nicht
schon genug wäre, daß sie glaubte, ihr Vater habe mit Annabelle Inzest
begangen...«
»Mylady!«
»O Gott!«
Lady Godolphin sah Mr. Garfield schuldbewußt an. »Es ist alles ein furchtbares
Kuddelmuddel. Archer hat gelauscht, als Mr. Armitage zu Annabelle sagte, daß er
in der Lage gewesen sei, ihr ein Kind zu verschaffen, und ihr Mann nicht.
Deshalb hat er das
Schlimmste gedacht. Und so hat er Daphne gedroht, daß er die ganze Geschichte
in London verbreiten werde, wenn sie ihn nicht heirate.«
»Wie in
aller Welt konnte jemand so etwas glauben?«
»Haben Sie
das Baby gesehen?« fragte Lady Godolphin. »Sieht aus wie Charles, so wie er
jetzt ist. Da kann ich Daphne gar nicht unrecht geben. Sie war so voller Angst,
daß sie nicht mehr klar denken konnte. Das Baby ist wirklich nicht von
Annabelle. Es könnte von Mr. Armitage sein, von einem Mädchen, mit dem er ein
Techtelmechtel hatte, wenn Sie meine Meinung hören wollen, aber doch nicht von
seinem eigenen Fleisch und Blut!«
»Und was
haben Mr. Armitage und Lady Brabington gesagt, als Sie sie mit dieser
ungeheuerlichen Anschuldigung konfrontierten?«
»Ich habe
noch keine Zeit gehabt«, antwortete Lady Godolphin ärgerlich. »Ich werde
Charles schreiben und ihn nach London bitten. Daphne hat es mir erst nach dem
Ball erzählt. Ich habe beschlossen, in der Zwischenzeit Mr. Archer einen
Widerwillen gegen sie einzuflößen. Deshalb sind wir ins Britische Museum gegangen,
und Daphne hat ausgesehen wie eine Schreckschraube. Ich hatte gerade vor,
Annabelle aufzusuchen, aber es geht mir so schlecht. Mein Herz ist gebrochen.«
»Colonel
Arthur Brian«, kündigte Mice sehr traurig an.
Lady
Godolphin hob ihren Kopf vom Sofakissen und starrte ungläubig auf die schlanke
Gestalt des Colonel, der auf seinen Stock gestützt im Türrahmen stand.
»Mein
Liebling«, sagte er unsicher. »Ich konnte keine Ruhe finden, ich mußte dich
sehen. Keine andere Frau hat mir je so viel bedeutet wie du.«
Mr.
Garfield öffnete den Mund, um sich weiter nach dem Durcheinander zu erkundigen,
in das das geliebte Mädchen offenbar verwickelt war, aber Lady Godolphin hielt
ihre dicken Arme auf, Colonel Arthur Brian warf seinen Stock weg, durchquerte
pfeilschnell den Raum und ließ sich auf die Knie fallen.
Mr.
Garfield ging hinaus und schloß leise die Türe hinter sich.
Unentschlossen
stand er in der Halle. Sollte er nach Daphne schicken?
Er kam zu
dem Schluß, daß es ihm lieber war, erst das Ungeheuer zu vernichten und es ihr
zu Füßen zu legen, bevor er wieder mit
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