Darf's ein Küsschen mehr sein?
Auskunft gaben, war sie auf andere Quellen angewiesen.
»Grey hat das so sehr mitgenommen, dass er den Dienst quittieren musste. Was nur wieder zeigt, dass man erst weiß, wie man mit einer Situation fertig wird, wenn man knietief im Blut watet.«
In der folgenden Stunde sprachen sie über den Tatort. Die Fotos und die Berichte beantworteten zwar die Fragen nach dem Wer, Was, Wo und Wann, aber das Warum blieb immer noch schleierhaft. Maddie wechselte das Band in dem kleinen Aufnahmegerät und fragte: »Sie kannten sowohl Loch als auch Rose. Was ist Ihrer Meinung nach in jener Nacht passiert?« In solchen Fällen gab es immer einen Katalysator. Ein neuer Stressfaktor kam hinzu und trieb den Täter zum Handeln. »Nach allem, was ich gehört und gelesen habe, war Alice Jones nicht Lochs einzige Affäre.«
»Nein. War sie nicht. Diese Ehe war schon jahrelang wie eine Achterbahnfahrt gewesen.« Der Sheriff nahm kopfschüttelnd seine Brille ab. »Bevor sie in das Farmhaus direkt vor der Stadt gezogen sind, haben sie unten am See in der Pine Nut gelebt. Alle paar Monate bekam ich einen Anruf von irgendwelchen Nachbarn und musste hinfahren.«
»Was fanden Sie vor, wenn Sie dort ankamen?«
»Meist lautstarke Auseinandersetzungen. Ein paarmal waren Lochs Kleider zerrissen, oder er hatte eine blutige
Schramme im Gesicht.« Bill lachte leise. »Als ich einmal hinkam, war die Fensterscheibe zerbrochen, und im Vorgarten lag eine Bratpfanne.«
»Kam es nie zu einer Festnahme?«
»Nee. Wenn man die zwei dann das nächste Mal sah, turtelten sie wieder ganz verliebt und waren überglücklich.«
Und wenn sie nicht turtelten, zogen sie unschuldige Menschen in ihre verkorkste Ehe hinein. »Aber nachdem sie in das Farmhaus gezogen waren, gingen keine Anrufe mehr bei Ihnen ein?«
»Nein. Da hatten sie keine Nachbarn mehr.«
»Wo ist das Farmhaus jetzt?«
»Abgebrannt.« Er dachte nach, und tiefe Falten zerfurchten seine Stirn. »Muss vor etwa zwanzig Jahren gewesen sein. Eines Nachts ist jemand hingegangen, hat es mit Kerosin übergossen und ein großes Feuer gelegt.«
»Kam dabei jemand zu Schaden?«
»Damals lebte schon keiner mehr dort.« Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Hab nie rausgefunden, wer der Brandstifter war. Hatte aber immer so meinen Verdacht, wer dahinterstecken könnte.«
»Wer?«
»Nur wenigen Menschen lag so viel daran, das Haus loszuwerden, um die Sache derart gründlich anzugehen. Kinder, die nur mit Streichhölzern spielen, zünden ein Haus nicht auf diese Weise an.«
»Mick?«
»Und seine Schwester, auch wenn ich es nie beweisen konnte. Wollte es eigentlich auch nicht, um ehrlich zu sein. Als Junge steckte Mick stets in Schwierigkeiten und sorgte
ständig für Unruhe, aber er hat mir immer leidgetan. Er hatte kein leichtes Leben.«
»Viele Kinder verlieren ihre Eltern und werden nicht zu Brandstiftern.«
Der Sheriff beugte sich vor. »Viele Kinder müssen auch nicht das Leben leben, das Rose Hennessy ihren Kindern hinterlassen hat.«
Das stimmte, aber Maddie kannte sich da ein bisschen aus. Sie blätterte eine Seite in ihrem Notizbuch um und sagte: »Alice Jones wohnte auf dem Roundup-Wohnwagenplatz. Kennen Sie eine Frau namens Trina, die 1978 vielleicht auf demselben Wohnwagenplatz gelebt hat?«
»Hmm, da klingelt bei mir nichts.« Nach kurzem Überlegen beugte er sich vor. »Aber Sie könnten mal mit Harriet Landers reden. Sie hat jahrelang dort gewohnt. Als das Land an einen Bauunternehmer verkauft wurde, musste man sie praktisch an allen vieren fesseln und wegtragen.«
»Wo wohnt Harriet denn jetzt?«
»Levana!«, rief er. Als seine Frau aus dem hinteren Teil des Hauses kam, fragte er: »Wo wohnt Harriet Landers eigentlich jetzt?«
»Ich glaube, sie lebt in der Samariter-Villa.« Levana sah Maddie an und fügte hinzu: »Das ist ein Seniorenheim an der Whitetail und Fifth. Sie ist inzwischen leicht schwerhörig.«
»Was?«, schrie Harriet Landers aus ihrem Rollstuhl. »Sprechen Sie doch lauter, Kindchen.«
Maddie saß auf einem alten Eisenstuhl im Gärtchen der Samariter-Villa. Wenn sie sich die alte Frau so ansah, war es schwer, ihr Alter zu schätzen. Auf jeden Fall schien sie aber
schon mit einem Fuß im Grab zu stehen. »Mein Name ist Maddie Dupree! Dürfte ich Ihnen vielleicht -«
»Sie sind diese Schriftstellerin«, unterbrach Harriet sie. »Ich habe gehört, Sie sind hier, um ein Buch über die Hennessys zu schreiben.«
Wow, sogar in Gruftikreisen sprachen
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