Darf's ein Küsschen mehr sein?
»Ich hatte gehofft, du könntest dich mal früher loseisen.«
»Warum?« Ihr Lächeln erstarb, und sie stellte die Kaffeekanne auf dem Tresen ab. »Ist was passiert? Ist was mit Travis?«
»Travis geht es gut. Ich wollte nur was mit dir besprechen.«
Sie sah ihm in die Augen, als könnte sie seine Gedanken lesen. »Ich bin gleich wieder da«, murmelte sie und verschwand in der Küche. Als sie zurückkam, hatte sie ihre Handtasche dabei.
Mick stand auf und folgte ihr nach draußen. Sobald die Tür hinter ihnen zufiel, fragte sie: »Was ist los?«
»Da ist eine Frau in der Stadt. Sie ist True-Crime-Autorin.«
Meg blinzelte gegen die helle Sonne, während sie über den geschotterten Parkplatz zu seinem Truck liefen. »Wie heißt sie?«
»Madeline Dupree.«
Ihr fiel die Kinnlade runter. »Madeline Dupree? Sie hat An ihrer Stelle geschrieben, die Geschichte von Patrick Wayne Dobbs. Dem Serienkiller, der Frauen ermordet und ihre Kleider unter seinem Straßenanzug getragen hat. Das Buch hat mir solche Angst eingejagt, dass ich eine Woche lang nicht schlafen konnte.« Meg schüttelte fassungslos den Kopf. »Was macht die denn in Truly?«
Er schob seine Sonnenbrille wieder herunter, um seine Augen zu verbergen. »Anscheinend will sie über das schreiben, was mit Mom und Dad passiert ist.«
Meg blieb ruckartig stehen. »Was?«
»Du hast mich schon verstanden.«
»Warum?«
»Gott, ich weiß nicht.« Er hob die Hand und ließ sie hilflos wieder sinken. »Wenn sie sonst über Serienmörder schreibt, weiß ich nicht, was sie an Mom und Dad so verdammt interessant findet.«
Meg verschränkte die Arme vor ihrer Schürze, und sie liefen weiter. »Was weiß sie denn darüber?«
»Keine Ahnung, Meg.« Sie blieben an seinem Truck stehen, und er lehnte sich mit der Hüfte an den vorderen Kotflügel. »Sie weiß, dass Mom dieser Kellnerin ins Gesicht geschossen hat.« Seine Schwester zuckte nicht mal mit der Wimper. »Wusstest du das?«
Meg zuckte mit den Achseln und biss sich auf den Daumennagel. »Ja. Ich hab gehört, wie der Sheriff es Grandma Loraine erzählt hat.«
Er sah seiner Schwester in die Augen und fragte sich, was sie sonst noch wusste und er nicht. Er fragte sich, ob sie auch wusste, dass ihre Mutter sich nicht sofort umgebracht hatte. Aber das spielte wohl keine Rolle. Sie nahm die Neuigkeit besser auf als erwartet. »Geht’s dir auch gut?«
Sie nickte. »Können wir sie irgendwie davon abhalten?«
»Das bezweifele ich.«
Sie lehnte sich seufzend an die Fahrertür. »Vielleicht kannst du mal mit ihr reden.«
»Hab ich schon. Sie wird das Buch auf alle Fälle schreiben, und ihr ist egal, was wir dazu sagen.«
»Scheiße.«
»Ja.«
»Alle werden wieder darüber reden.«
»Ja.«
»Sie wird schlimme Sachen über Mom schreiben.«
»Wahrscheinlich über alle drei. Aber was kann sie schon groß schreiben? Die einzigen Menschen, die wissen, was in jener Nacht wirklich passiert ist, sind tot.«
Meg wich seinem Blick aus.
»Weißt du irgendwas, was in jener Nacht passiert ist?«
Sie ließ die Hand sinken. »Nur dass Mom zu weit gegangen ist und Dad und diese Kellnerin getötet hat.«
Er wusste nicht so recht, ob er ihr glauben sollte, aber welchen Unterschied machte das schon neunundzwanzig Jahre danach? Schließlich war Meg nicht dabei gewesen. Sie war zu Hause bei ihm, als der Sheriff an jenem Abend zu ihnen kam.
Er blickte zum klaren blauen Himmel auf. »Ich hatte ganz vergessen, dass die Kellnerin ein kleines Mädchen hatte.«
»Ja, aber ich weiß ihren Namen nicht mehr.« Meg sah Mick wieder an. »Interessiert mich auch nicht. Ihre Mutter war eine Hure.«
»Dafür konnte das Mädchen ja nichts, Meg. Sie blieb ohne Mutter zurück.«
»Wahrscheinlich war sie so besser dran. Alice Jones hat mit unserem Vater Ehebruch begangen, und ihr war egal, wer davon wusste. Sie hat vor der ganzen Stadt mit ihrem Verhältnis geprahlt, also erwarte nicht von mir, dass ich Mitleid mit irgendeinem namenlosen, gesichtslosen Waisenmädchen habe.«
Mick wusste nicht, ob es Prahlereien gegeben hatte, und wenn ja, trug ihr Dad vermutlich die Hauptschuld, da er derjenige gewesen war, der verheiratet war.
»Kommst du damit klar?«
»Nein, aber was kann ich schon dagegen tun?« Sie rückte
ihre Handtasche zurecht. »Ich werd’s überleben, so wie alles andere auch.«
»Ich hab ihr verboten, sich Travis und dir zu nähern, also wird sie dich wohl nicht mit Fragen belästigen.«
Meg zog eine Augenbraue hoch.
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