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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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hielt mich etwas fest. Es fühlte sich an, als steckten meine Beine tief in Schlick. Ich gab mir alle Mühe, mich daraus zu befreien, und wollte schreien, würgte aber nur Stille. Wie eine Fliege im Spinnennetz war ich, und die Hexe kam näher, langsam und ohne dass etwas sie aufhalten konnte. Immer mehr von ihrem Gesicht geriet ins Licht, ich sah die Augen … und erwachte mit einem Schrei.
    So stellte ich es mir vor.
    »Hast du keine Angst, dass er dich noch einmal heimsuchen könnte?«, fragte ich.
    Es donnerte plötzlich, so laut, dass die Scheune erzitterte.
    »Er muss nahe sein«, antwortete der Nubier. »Er muss wissen, wo ich mich befinde.«
    Ich ließ den Atem entweichen, von dem ich erst jetzt merkte, dass ich ihn angehalten hatte.
    »Er wird stattdessen seinen Jäger auf uns ansetzen«, sagte der Nubier. Ich hörte ein Rascheln, als er Heu auf sich legte.
    »Wie schade«, erwiderte ich. Es war lange her, seit ich zum letzten Mal von meiner Traumhexe geträumt hatte. Eigentlich gefiel mir die Vorstellung, dass sie uns hierher folgte, zu dieser Scheune, während eines Gewitters. Ich legte mich ins weiche Heu. »Ich werde versuchen, heute Nacht eine Traumhexe zu fangen, oder einen Traumhexer, was auch immer. Und wenn es mir gelingt, laufe ich nicht weg. Ich werde mich umdrehen und der Hexe – oder dem Hexer – den Bauch aufschlitzen.«

 
16
     
    Vier Jahre zuvor
     
    Wieder donnerte es, und für einen Moment hielt mich das Donnern fest. Ich fühlte es in der Brust. Ein Blitz tauchte die Welt in grelles Weiß, und die Nachbilder zeigten mir Visionen. Ein Baby, so heftig geschüttelt, dass ihm Blut aus den Ohren kam. Um ein Feuer tanzende Kinder. Neuerliches Donnern schüttelte die Scheune, und die Dunkelheit kehrte zurück.
    Ich saß in der Verwirrung zwischen Schlaf und Wachen, umgeben von knarrendem Holz und dem Fauchen des böigen Winds. Wieder stach ein Blitz durch die Finsternis, und ich sah das Innere der Kutsche, meine Mutter mir gegenüber. Neben ihr lag William zusammengerollt auf der Sitzbank, die Knie an der Brust.
    »Das Gewitter!« Ich drehte mich und griff nach den Fensterlatten. Sie widersetzten sich mir und spuckten Regen, während draußen der Wind heulte.
    »Ruhig, Jorg«, sagte Mutter. »Schlaf weiter.«
    In der Dunkelheit konnte ich sie nicht sehen, aber ich nahm ihren Duft wahr. Rosen und Zitronengras.
    »Das Gewitter.« Ich wusste, dass ich etwas vergessen hatte. An so viel erinnerte ich mich.
    »Nur Regen und Wind. Lass dir davon keine Angst machen, Jorg, mein Schatz.«
    Hatte ich Angst? Ich lauschte, als die Böen mit ihren Krallen über die Kutschentür kratzten.
    »Wir müssen in der Kutsche bleiben«, sagte Mutter.
    Ich gab mich dem Schaukeln der Kutsche hin, suchte nach jener Erinnerung und trachtete danach, sie abzuschütteln.
    »Schlaf, Jorg.« Es war mehr ein Befehl als eine Empfehlung.
    Woher weiß sie, dass ich nicht schlafe?
    Ein Blitz gleißte so nahe, dass ich sein Knistern hörte. Das Licht warf ein vom Türfenster stammendes Gittermuster in Mutters Gesicht und gab ihren Augen etwas Wildes.
    »Wir müssen die Kutsche anhalten. Wir müssen aussteigen. Wir müssen …«
    »Schlaf!« Mutter Stimme klang jetzt scharf.
    Ich versuchte aufzustehen und fühlte, wie mich etwas festhielt, als steckte ich in … Schlick.
    »Du bist nicht meine Mutter.«
    »Bleib in der Kutsche«, sagte sie, ihre Stimme nur mehr ein Flüstern.
    Nelkenduft kam durch die Dunkelheit, mit einem Hauch Myrre, der Geruch eines Grabs. Er dämpfte alle Geräusche, bis auf das leise Zischen ihres Atems.
    Mit blinden Fingern tastete ich nach dem Türknauf. Statt kaltem Metall fand ich Fäulnis: weiches Fleisch, in schleimigen Tod verwandelt. Ein Schrei löste sich aus meiner Kehle, konnte die Stille aber nicht zerreißen. Ich sah Mutter im Licht des nächsten Blitzes: von Knochen geschälte Haut, die Augenhöhlen leer.
    Furcht nahm mir die Kraft. Ich spürte, wie sie mir heiß über die Beine strömte.
    »Komm zu Mutter.« Finger wie Zweige schlossen sich um meinen Arm und zogen mich nach vorn in die Dunkelheit.
    Es formten sich keine Gedanken in dem Schrecken, der mich gefangen hielt. Worte zitterten auf meinen Lippen, aber es fehlte das Bewusstsein, das ihre Bedeutung enträtseln konnte.
    »Du bist nicht … sie«, sagte ich.
    Ein weiterer Blitz enthüllte ihr Gesicht dicht vor mir. Im Licht dieses Blitzes sah ich meine Mutter sterben. Ich sah, wie sie in einer stürmischen Nacht verblutete, während ich in

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