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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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die Wahrheit so offen ausgesprochen? William und ich hatten in der Küche der Hohen Burg hundertmal mehr erfahren als aus unseren Latein- und Strategiebüchern. Mit von Tinte schmutzigen Händen waren wir aus dem Unterrichtsraum geschlichen, durch Flure gelaufen und Treppen hinuntergesprungen, um in der Küche Zuflucht zu suchen.
    Durch dieselben Flure ging ich nun, und die nahen Wände weckten Unbehagen in mir. Ich hatte zu viel Zeit unter freiem Himmel verbracht, zu lange blutig gelebt. In der Küche erfuhr man auch vom Tod. William und ich hatten beobachtet, wie der Koch mit einer kurzen Handbewegung lebende Hühner in totes Fleisch verwandelte. Wir hatten gesehen, wie Ethel das Brot die dicken Hennen rupfte und sie im Tode nackt machte, bereit fürs Ausweiden. Wenn man etwas Zeit in der Burgküche verbringt, lernt man schnell, dass es im Tod weder Eleganz noch Würde gibt. Man lernt, wie hässlich er ist, der Tod, und wie gut er schmeckt.
    Am Ende des Roten Flurs brachte ich die Ecke hinter mich und war so in Erinnerungen versunken, dass ich nicht aufpasste. Ich sah nur eine Gestalt, die sich mir näherte. Auf der Straße erworbene Instinkte ließen mich handeln. Bevor ich das lange Haar und die Seide bewusst zur Kenntnis nehmen konnte, hatte ich die fremde Gestalt an die Wand gedrückt, die Hand auf ihrem Mund und das Messer an ihrer Kehle. Wir standen Auge in Auge, und sie hielt meinem Blick stand, mit Augen, die ein unwirkliches Grün zeigten, wie das von Buntglas. Ich ließ mein Knurren zu einem Lächeln werden und zwang die zusammengebissenen Zähne auseinander. Dann trat ich einen Schritt zurück und gab der Person Gelegenheit, sich von der Wand zu lösen.
    »Ich bitte um Verzeihung, Lady«, sagte ich und deutete eine Verbeugung an. Die Frau war groß, fast so groß wie ich, und bestimmt nicht viel älter.
    Sie schenkte mir ein grimmiges Lächeln und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Ein bisschen Blut blieb daran kleben – sie hatte sich auf die Zunge gebissen. Bei den Göttern, sie war eine Augenweide. Sie hatte ein ausdrucksvolles Gesicht mit scharfer Nase, hohen Wangenknochen und vollen Lippen, umrahmt von dunkelrotem Haar.
    »Lieber Himmel, wie du stinkst, mein Junge«, sagte sie und trat um mich herum, als begutachtete sie ein Pferd auf dem Markt. »Du kannst von Glück sagen, dass Sir Galen nicht bei mir ist. Dann hätte jetzt ein Dienstmädchen deinen abgeschlagenen Kopf aufheben können.«
    »Sir Galen?«, fragte ich. »Ich werde auf ihn Acht geben.« Die Frau trug Diamanten am Hals, auf einem komplexen Netz aus Gold. Spanardische Arbeit: Niemand an der Pferdeküste konnte so etwas herstellen. »Es geziemt sich nicht für die Gäste des Königs, sich gegenseitig umzubringen.« Ich hielt sie für die Tochter eines Kaufmanns, der gekommen war, um vor dem König zu katzbuckeln. Ein sehr reicher Kaufmann, oder vielleicht die Tochter eines Grafen oder Earls aus dem Osten. In ihrer Stimme gab es einen leichten östlichen Akzent.
    »Du bist ein Gast?«, fragte die junge Frau und wölbte eine Braue, die sehr hübsch war. »Ich glaube nicht. Du scheinst dich hereingeschlichen zu haben, über die Abort-Rutsche, dem Geruch nach zu urteilen. Die Mauern bist du bestimmt nicht hochgeklettert, nicht in der klapprigen alten Rüstung.«
    Wie ein Tafelritter schlug ich die Hacken aneinander und bot ihr den Arm an. »Ich bin auf dem Weg zur Küche, um zu frühstücken. Dort kennt man mich. Vielleicht möchtest du mich begleiten und meine Referenzen überprüfen, Lady?«
    Sie nickte und schenkte meinem Arm keine Beachtung. »Ich kann einen Küchenjungen zu den Wachen schicken, damit sie dich festnehmen. Falls wir unterwegs keinen begegnen.«
    Und so gingen wir Seite an Seite durch den Flur und mehrere Treppen hinunter.
    »Meine Brüder nennen mich Jorg«, sagte ich. »Wie nennt man dich, Lady?« Ich fand die Sprache des Hofes umständlich auf der Zunge, insbesondere da mein Mund seltsam trocken war. Die junge Lady duftete wie Blumen.
    »Du kannst mich ›Lady‹ nennen«, sagte sie und rümpfte erneut die Nase. Wir kamen an zwei Hauswächtern vorbei, die Rüstungen aus glänzender Feuerbronze und Federbüsche trugen. Beide sahen mich wie ein Stück Dreck an, das irgendwie aus dem Abort entkommen war, aber die junge Lady sagte nichts, und die Wachen ließen uns passieren.
    Wir erreichten die Lagerräume, wo gesalzenes Rindfleisch und eingelegtes Schweinefleisch in Fässern lagerten, die sich bis zur Decke

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