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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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zu haben. Ich starrte in die Dunkelheit, und meine Ohren saugten die Stille auf. Das Geräusch wiederholte sich, leise wie das Flüstern von Haut auf Stein. Es war der Geist eines Geräuschs, der Hauch eines Atemzugs. Oder vielleicht nur der nächtliche Wind, der einen Weg durch die geschlossenen Fensterläden fand.
    Eis kroch mir über den Rücken und prickelte auf den Schultern. Ich setzte mich auf und widerstand dem Drängen, etwas zu sagen, den in der Finsternis verborgenen Schrecken Tapferkeit zu zeigen. Ich bin nicht mehr sechs Jahre alt, sagte ich mir. Ich habe Geister in die Flucht geschlagen. Ich strich die Laken beiseite und stand auf. Wenn vom Heiden geschaffenes Entsetzen in der Dunkelheit lauerte, boten die Laken keinen Schutz. Mit nach vorn gestreckten Händen ging ich los und fand die erste Kante des Bettes und dann eine Wand. Ich drehte mich und folgte ihrem Verlauf, strich mit den Fingern dabei übers Mauerwerk. Etwas fiel und zerbrach mit einem lauten Krachen. Ich stieß mit den Schienbeinen gegen unsichtbare Hindernisse, bekam die Ecke eines Möbelstücks an einer besonders empfindlichen Stelle zu spüren und fand schließlich die Leisten eines Fensterladens.
    Ich tastete am Verschluss, der mir jedoch hartnäckigen Widerstand leistete, als seien meine Finger von Kälte halb betäubt. Ich bekam eine Gänsehaut und hörte Schritte, die sich näherten. Mit ganzer Kraft zerrte ich an den Fensterläden. Jede meiner Bewegungen erschien mir langsam und schwach, als steckte ich in Schlick, wie in den Träumen, in denen man von einer Hexe verfolgt wird und nicht laufen kann.
    Von einem Augenblick zum anderen gaben die Fensterläden nach. Sie klappten nach innen, und ich stellte fest, dass ich hoch über dem Hinrichtungshof stand, in Mondschein getaucht. Ich drehte mich um. Langsam, zu langsam. Und fand nichts. Nur einen Raum voller Silber und Schatten.
    Das Fenster warf den Mondschein an die Wand zu meiner Rechten. Mein Schatten streckte sich durchs Zimmer, einem großen Porträt entgegen. Es war die lebensgroße Darstellung einer Frau. Jähe Taubheit erfasste mich, und mein Gesicht fühlte sich wie eine Maske an. Mutter. Mutter im großen Saal. Mutter in einem weißen Kleid, groß und kühl in ihrer Perfektion. Jenes Porträt hatte ihr nie gefallen. Sie meinte, der Künstler hätte sie zu abgehoben und distanziert dargestellt, zu sehr wie die Königin. Nur William, hatte sie gesagt, fügte der Darstellung etwas Weiches und Sanftes hinzu. Wenn William dort nicht an ihren Röcken gehangen hätte, wäre sie längst bereit gewesen, das Bild wegzugeben. Nur der kleine William hatte verhindert, dass sie sich davon trennte.
    Ich wandte den Blick von ihrem Gesicht ab, das im silbrigen Licht sehr bleich wirkte. Mutter überragte mich. Sie war groß gewesen im Leben und noch größer in dem Porträt. Ihr Gewand fiel in Spitzenkaskaden; der Maler hatte es gut getroffen und dem Bild Leben gegeben.
    Kühle Luft kam durch die offenen Fensterläden, und ich fühlte eine Kälte, die tiefer ging als der erste Herbstfrost. Ich fror plötzlich. Mutter hatte William nicht wegwerfen können. Aber William existierte nicht mehr … Ich trat einen Schritt zurück, zum offenen Fenster hin.
    »Jesus Christus …« Ich blinzelte Tränen fort.
    Mutters Augen bewegten sich; ihr Blick folgte mir.
    »Jesus war nicht da, Jorg«, sagte sie. »Niemand kam, um uns zu retten. Du hast uns beobachtet, Jorg. Du hast alles gesehen, bist uns aber nicht zu Hilfe gekommen.«
    »Nein.« Ich fühlte den Fenstersims kalt in meinen Kniebeugen. »Die Dornen … Die Dornen haben mich festgehalten.«
    Mutter sah mich an, die Augen wie Silber im Mondschein. Sie lächelte, und für ein oder zwei Sekunden dachte ich, sie würde mir verzeihen. Dann schrie sie. Sie schrie nicht die Schreie, die ich von ihr gehört hatte, als sie von den Männern des Grafen vergewaltigt worden war. Das hätte ich ertragen können. Vielleicht. Sie schrie die Schreie, die sie geschrien hatte, als die Männer William getötet hatten. Grässliche, heisere, tierische Schreie, aus ihrem perfekten Gesicht gerissen.
    Ich schrie zurück. Die Worte flogen aus mir. »Die Dornen! Ich hab es versucht, Mutter. Ich hab es versucht.«
    Er kam hinter dem Bett zum Vorschein. William, der kleine William mit dem eingeschlagenen Kopf. Das Blut verklebte sein blondes Haar. Das Auge auf jener Seite war hin, aber das andere sah mich an.
    »Du hast mich sterben lassen, Jorg«, sagte er, und beim

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