dark canopy
fort!
»Lass mich in Ruhe«, murmelte ich und dann musste ich feststellen, dass ich zu schnell eine zu große Menge Wasser getrunken hatte, die mein Magen mir jetzt zurückschickte. Ich schaffte es noch, nicht auf meine Matratze zu spucken, aber Neél, der auf der Bettkante saß, bekam einen Schwall auf die Hose, und statt zurückzuweichen, hielt er mich an den Schultern fest. Ich wollte nur noch eins: sterben. Vor Scham, wenn das Fieber mich schon nicht umbrachte.
»Verdammt, das tut mir leid.«
Er war es, der das murmelte, nicht ich. Es war so skurril, dass ich lachen musste, mich an meiner Spucke verschluckte, hustete und gegen seine Seite sank. Es tat ihm leid, dass ich ihm Wasser und Magensaft auf die Hose kotzte? Was für ein komischer Kerl war dieser Percent?
»Mina hat gesagt, ich soll aufpassen, dass du nicht zu schnell trinkst. Ich dachte ... ich wollte ...«
Der Percent stammelte und ich lachte, so gut das vollkommen erschöpft und ohne Atem möglich war. Es ging irgendwie, solange ich mich an ihm festklammerte, aber es fühlte sich an, als würde mir jemand mit kleinen, harten Schuhen in den Magen treten.
»Ich ... ich mache das sauber, bevor sie kommt und mich zusammenfaltet, weil ich nicht auf dich aufgepasst habe«, murmelte Neél, als ich mich zurück ins Bett fallen ließ. Er wechselte noch mein Kissen, das nass geworden war, und gab mir seins dafür. Während er den Boden aufwischte und dabei unzusammenhängenden Kram brummte, als wäre er es, der fieberte, holte mich langsam, aber sicher der Schlaf zurück in sein Reich.
• • •
Im Nachhinein muss ich zugeben, dass alles, was an diesem Tag geschah, vielleicht auch nur meiner wirren Fantasie entsprungen war. Mir blieb am nächsten Tag kein Anhaltspunkt, der mir sagte, dass der Percent, der mich pflegte und mein Erbrochenes vom Boden aufwischte, Realität war. Ich hatte bloß Vermutungen und längst nicht genug Mut, um Neél zu fragen.
Ab dem nächsten Tag ging mein Fieber langsam zurück. Ich fühlte mich nicht mehr berauscht, sondern nur noch schwach, als hätte die Entzündung alle Kraft in meinem Blut abgetötet. Das Ganze ging mit bösen Kopfschmerzen einher. Doch die Hand schwoll ab und wenn Mina den Schorf aufbrach und die Wunde auswusch, kam viel frisches Blut, aber kaum mehr Eiter.
Ich konnte wieder trinken und durfte in Wasser eingeweichtes Brot essen. Missbrauch am Brot, wenn man mich fragte (aber Neél betonte, dass das niemand tun würde). Nachdem ich es bei mir behielt, brachte Mina mir Fleischbrühe, auf der Fettaugen schwammen, so groß wie Kinderfäuste. Selten war ich so dankbar für etwas Nahrhaftes gewesen. Ich konnte, auf Neél oder Mina gestützt, wieder bis zur Toilette gehen und mich notdürftig waschen.
Neél hatte sein Wort gehalten. Ich besaß nun mein eigenes Zimmer. Er überließ mir den Raum, den wir bis jetzt geteilt hatten, und schlief woanders; ich fragte nicht, wo. Die Tage verbrachte er bei mir. Man hätte sagen können, dass er mir nicht von der Seite wich.
Jeden Tag schien es draußen etwas wärmer zu werden. Zunächst gewann die Sonne an Kraft, einmal sah ich sie kreisrund durch die Wolkenschicht leuchten. Am nächsten Vormittag pumpten sie über Dark Canopy mehr pulverisiertes Gestein in den Himmel. Im Sommer brauchten sie so viel davon, dass es sich auf die Haut legte und man es zwischen den Zähnen knirschen spürte. Trotzdem ließ ich das Fenster offen.
Daraufhin kamen die nach Licht und möglichst sauberer Luft lechzenden Falter in die Häuser, manche klein und weiß, beinahe durchsichtig, andere grau, schwarz oder braun und groß wie eine Faust. Neél hasste das Geräusch, das sie verursachten, wenn sie an den Wänden entlangflatterten. Ständig schloss er das Fenster und kaum drehte er sich weg, riss ich es wieder auf.
»Sie tun nichts«, sagte ich. Ein grauer Falter saß auf meinem nackten Knie und klappte seine Flügel hoch und wieder runter, als wolle er mir das feine Muster darauf aus allen Perspektiven zeigen.
Neél verzog angewidert das Gesicht. »Sie stauben, wenn man draufhaut. Und sie haben Haare an den Beinen.«
Ich musste lachen, der Falter zitterte mit den Flügeln. »Ich habe auch Haare an den Beinen und wenn man auf mich draufhaut, passiert Schlimmeres, als dass ich nur mit Staub um mich werfe. Wusstest du, dass es Falter früher in allen Farben gab?«
»Ich habe Bilder gesehen, in verblichenen Büchern. Ja.«
»Früher«, fuhr ich fort, »da gab es sie in Farben, deren
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