dark canopy
nicht witzig. Sie hasst mich und ich möchte wenigstens wissen, warum. Sie ist außer mir der einzige Mensch hier, aber ausgerechnet sie straft alles, was ich tue, mit Verachtung. Was hat sie gegen mich?«
Das Lachen war Graves inzwischen vergangen. »Es liegt eher daran, was du hast«, sagte er.
»Was soll ich schon haben?« In meinem Nacken kribbelte es. Wusste sie von meinem Geheimnis? Hätte ich meine Papiere schon früher abgeben sollen? Hatte ich alles falsch ge-?
»Neél«, sagte Graves und mir blieb die Spucke weg. »Die beiden hatten Pläne. Neél wollte Anspruch auf Alex erheben, damit sie gemeinsam -«
»Sie lieben sich?«, platzte ich dazwischen. Es war, als zerplatzte in meinem Kopf eine Blase und ließ Gift in meine Gedanken strömen. Scham, Unverständnis und eine mir noch unverständlichere Wut. Und Eifersucht, ja, die biss ganz besonders schmerzhaft.
»Das nun nicht direkt, es war nie was Ernstes zwischen den beiden«, meinte Graves, aber er hätte in dem Moment auch in der Sprache der Fremden mit mir reden können, es machte keinen Unterschied.
Neél hatte Alex seine Sicherheit versprochen und das lange Zeit vor mir. Sie stand ihr zu. Ich war fehl am Platz, gehörte nicht zu ihm. Wie irritierend, dass es mich so hart traf, hatte ich doch nie geplant, bei ihm zu bleiben.
»Es war nicht viel mehr als eine Vereinbarung unter Freunden«, erklärte Graves. Er saß neben mir am Tisch, klang aber, als wäre er sehr weit weg. »Alex’ Partner ist tot, wie du weißt, er starb Anfang des letzten Winters bei einem Kampf gegen Rebellen. Erst nach dem nächsten Chivvy darf wieder Anspruch auf sie erhoben werden. Sie hat uns gefragt, aus Angst, dass es jemand anders tun könnte, der nur auf dieses Anwesen scharf ist, und Neél hat zugesagt.« Er zuckte mit den Schultern. »Das hatte er zumindest.«
Er hatte das Versprechen, das er Alex gab, für mich gelöst und das schon lange bevor er mir sein Angebot gemacht hatte. Ein bisschen Wärme mischte sich unter meine giftigen Empfindungen, doch meine Scham schien dadurch nur noch zu wachsen. Sie ließ meine Wangen heiß glühen.
»Hat er inzwischen mit dir gesprochen?«
Ich nickte. »Vor ein paar Tagen. Ich habe nicht Ja gesagt, Graves. Neél kann immer noch Anspruch auf Alex erheben.« Nach dem letzten Satz hätte ich am liebsten auf den Boden gespuckt, so bitter lag mir sein Geschmack im Mund. »Ich habe nicht Ja gesagt!«
Graves stand auf und trat zum Erkerfenster. »Darum geht es nicht mehr. Als du gefragt hast, ob sie sich lieben, da habe ich nur die halbe Wahrheit gesagt.«
»Sie liebt ihn«, stellte ich nüchtern fest. Und sie war eifersüchtig auf mich. Konnte ich ihr das verdenken, wenn ich dasselbe fühlte?
»So ist es.« Graves seufzte. »Aber mach dir keine Gedanken. Ihre Sicherheit ist gewährleistet. Ich werde Anspruch auf sie erheben, das hat Neél geklärt, ehe er zu ihr gegangen ist und es ihr gesagt hat. Aber Alex’ Stolz ist so schwer verletzt wie ihre Augen, fürchte ich. Seit sie es weiß, hat sie sich verändert.«
»Seit wann weiß sie es denn schon?«
»Neél hat es ihr gesagt, bevor er dich zum ersten Mal herbrachte.«
Ich schloss die Augen, denn meine Lider waren plötzlich zu schwer und das trübe Tageslicht schien zu grell. So lange wusste er schon, dass er seinen Anspruch auf mich geltend machen wollte. Warum hatte er es mir nicht eher gesagt? Dummkopf, schalt ich mich. Weil er dich erst von den schönen Seiten der Stadt überzeugen wollte. Und von seinen guten Seiten.
»Darf ich dich etwas fragen, Graves?«, bat ich, um mich abzulenken. »Warum hast du nicht längst Anspruch auf eine Frau erhoben? Erst dachte ich, du hättest vielleicht eine und würdest sie nur nicht erwähnen.«
»Das ist nicht so einfach zu erklären.« Er sah mich an und winkte mich zu sich.
»Du bist schwul!«, riet ich, aber er erwiderte: »Wenn es so einfach wäre. Ich habe einen Makel. Das heißt, ich darf meinen Anspruch nicht auf eine Frau ohne Makel erheben. So sagt es das Gesetz, weil eh schon zu wenig Frauen da sind.«
Ja, so wenige, dass ihr sie euch mit Gewalt holen müsst. Aber das war nicht Graves’ Schuld, daher sprach ich es nicht aus. Sie waren nicht alle gleich, das hatte ich endlich verstanden.
Er zog den Wollpullover über seinem Unterarm zurück. Zuerst erkannte ich nicht, was er meinte. Aber dann sah ich wieder, dass seine Haut eine ganz andere Struktur aufwies als Neéls. Die winzigen, beweglichen Lamellen, mit denen die
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