dark canopy
mich los und ich wandte mich ab.
»Joy«, sagte er, noch immer stand er so dicht hinter mir, dass ich durch unsere Kleidung seine Wärme spürte. Und jetzt verstand ich erst, was er gemeint hatte, als er vorhin gesagt hatte, er wolle kämpfen. Denn er sagte: »Bleib bei mir.«
Nein, das war nicht fair! Ich hätte mir fast die Ohren zugehalten, aber er sprach weiter, er sprach weiter und hörte nicht auf - er hörte einfach nicht auf!
»Du wärst sicher bei mir, wenn du zulassen würdest, dass ich Anspruch auf dich erhebe. Das Chivvy würde ohne uns stattfinden. Ich kann ein Jahr warten. Ja, du wärst eine Städterin, aber ich würde dafür sorgen, dass du alle Freiheiten bekommst, die ich dir irgendwie ermöglichen kann. Du müsstest nie wieder kämpfen, es sei denn, du willst mit mir weiter nach Antworten suchen. Wir könnten weitere an unsere Seite holen, in die Villa, in Flagg’s Boulder, und ...«
»Danke, Neél«, sagte ich leise, einzig und allein damit er aufhörte. »Ich muss ein wenig nachdenken, ist das in Ordnung?«
Dabei war alles geklärt. Vielleicht war es wahr, was ich aufgrund des Chaos in mir drin vermutete. Schon möglich, dass ich mich in Neél verliebt hatte und er sich in mich. Aber in seinen Worten fand ich etwas, das viel wichtiger war. Er hatte das, was ich brauchte. Sicherheit. Die Bedingungen klangen nicht schlecht.
Nur dass er diese Sicherheit mir geben wollte.
Ich aber wollte sie nicht.
Nicht für mich.
29
»dein geburtstag ist der blutsonnentag, joy.
das ist etwas ganz besonderes!«
Vergeblich bemühte ich mich, meine Gedanken für mich zu behalten.
Ich saß mit Graves im Erkerzimmer der Villa über verschiedene Papiere in einer fremden Sprache gebeugt. Wir versuchten, sie zu übersetzen, aber es war wie ein Puzzle, bei dem mehr Teile fehlten als zur Verfügung standen. Wir konnten bloß raten. Manche Buchstabenkombinationen kannten wir aus unserer Sprache - aber das hieß nicht, dass sie dieselbe Bedeutung haben mussten. Manche Worte waren den uns bekannten ähnlich, aber auch das führte uns häufiger in die Irre, als dass es uns weiterbrachte.
Immer noch hatte ich meine Papiere der Sammlung nicht hinzugefügt. Ich spürte sie in der Tasche zwischen meinen Schultern. Aus einem Grund, den ich weder verstand noch hinterfragte, wollte ich sie erst herausholen, wenn alle dabei waren, zumindest Neél, Graves und Alex.
Alex war in der Nähe, sie geisterte ziellos durch die Räume und verbarg ihre Unruhe weniger als ich. Inzwischen wusste ich, dass sie hier wohnte, wenn ich auch keine Antwort auf die Frage erhielt, wie eine Blinde zu einer solchen Villa kam. Vielleicht war sie ihr Erbe.
Neél war fort, wir erwarteten seine Rückkehr erst zum Abend. Er hatte einen Auftrag von Cloud erhalten, mich zu Graves gebracht und war schnell wieder gegangen. Er und drei andere Varlets waren dazu abkommandiert worden, die Westgrenze der Stadt zu kontrollieren. Westlich der Stadt hatte man Menschen gesehen. Ich hatte ihm erzählt, dass in dieser Richtung mein Clan lebte, und ihn gebeten, an mich zu denken, sollte er jemanden entdecken. Er hatte sich ruppig von mir weggedreht und gesagt: »Damit ich zögere und meine Kameraden und ich getötet werden? Meinst du, deine Leute würden auch zögern?«
Ich konnte ihm nicht einmal die Schärfe in seiner Stimme übel nehmen. Das Warten auf meine Antwort machte ihn hart und bitter. Außerdem hatte er recht.
»Joy? Joy!« Graves riss mich aus meinen Gedanken. »Träumst du?«
»Ich habe nachgedacht, das ist alles.« Ich sah wieder auf die Texte und die frustrierend kurze Liste unserer Übersetzungen. Ich starrte so angestrengt darauf, dass die schwarz gedruckten Buchstaben vor meinen Augen ein tiefes Blau annahmen und zu schweben begannen. Das Nichtstun zehrte an meinen Nerven. Ich stellte die Ellbogen auf dem Tisch ab, ballte die Fäuste und schlug die Fingerknöchel gegeneinander.
»Versuchst du, mich zu nerven?«, fragte Graves. »Komm schon, Joy, was ist los?«
Ich biss mir auf die Lippe. »Alex«, murmelte ich dann. »Ich frage mich, was sie für ein Problem mit mir hat. Sie hat mir gezeigt, wie man sich mithilfe von Geräuschen orientieren kann. Ich habe viel geübt und wollte ihr eben von meinen Fortschritten erzählen. Da sagte sie«, mir entwich ein Schnaufen, so sehr regte ihr Kommentar mich noch immer auf, »dass ich sie in Ruhe lassen soll.«
Graves versuchte, sein Lachen zu unterdrücken, was in einem Grunzen endete.
»Das ist
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