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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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hatte.«
    Alex schnappte nach Luft. »Du warst in der Schule? Wann?«
    »Lange her. Es war eine gute Woche bevor ich gefangen genommen wurde. Ich habe die Papiere damals mit mir rumgetragen, aus Angst, unser Clanführer würde sie mir wegnehmen.«
    In Neéls Gesicht regte sich kein Muskel.
    »Es ist nicht so, dass ich jemanden bestehlen wollte, das müsst ihr mir glauben. Ich fand es durch Zufall und habe es mitgenommen. Ich dachte ... ich glaubte -«
    »Du hast die Texte gegen eine Jacke aus Leder getauscht«, unterbrach mich Graves und mit einem Mal schien er milder gestimmt.
    »Ja, ich habe meine Jacke zurückgelassen. Woher weißt du das? Kennst du den Menschen, der dieses Versteck genutzt hat?«
    »Durchaus. Der ... Mensch «, Graves grinste bitter, »war ich selbst.«
    Ich fand keine Worte. Ich hatte Graves bestohlen, denjenigen, der das wohl am wenigsten von allen verdient hatte und dessen Respekt mir so wichtig geworden war. Mein Mund formte »Tut mir leid.«
    »Schon gut, Joy. Ich kann dir keinen Vorwurf machen, dass du die Blätter mitgenommen hast.«
    »Wohl aber«, sagte Alex herrisch, »dass du sie erst jetzt rausrückst.«
    Ich senkte den Kopf. Sie hatte ja recht. »Als ich gefangen genommen wurde, waren diese beiden Papierstücke mein ganzer Besitz.« Ich versuchte, mich nicht zu entschuldigen - ich wollte, dass sie mich verstanden. »Ein Flaschendeckel hätte dieselbe Aufgabe erfüllen können. Es war alles, was ich hatte, alles, worüber ich selbst bestimmen konnte. Ich habe es all die Monate versteckt.«
    »Ich wusste doch, dass ihr nicht zu trauen ist«, raunzte Alex.
    Graves seufzte. »Sieh mal, Alex - oh, entschuldige, wie dumm von mir.« Er zwinkerte in meine Richtung und Alex schnaubte wie ein Stier vor dem Angriff. »Immerhin hat sie uns doch freiwillig davon erzählt, wenn auch erst jetzt. Und es ist kein Schaden entstanden. Die Karte haben wir mehrfach im Bestand, die Skizze durch Abpausen ebenfalls und den Text hatte ich bereits untersucht, ehe ich die Papiere in der Schule versteckte.«
    »Für einen Abgleich hilft es immer, viele Vergleichsmöglichkeiten zu haben«, schoss Alex zurück.
    Graves nickte gemächlich. »Sehr richtig. Ich bin mir sicher, Joy erklärt sich dazu bereit, die Dokumente noch mal abzugleichen und zu versuchen, Worte zu übersetzen.«
    »Jederzeit!«
    »Jederzeit«, äffte Alex mich schrill nach. Sie schüttelte den Kopf, wandte sich ab und tastete sich an der Wand entlang Richtung Zimmertür.
    Es tat mir leid, ihren Stolz verletzt zu haben. Sie war im Recht. Ich bedeutete Neél, der das ganze Gespräch über mit unerwarteter Ruhe geschwiegen hatte, sie aufzuhalten.
    Er wartete, bis sie aus dem Raum gegangen war und die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. Dann beugte er sich zu mir und flüsterte: »Ich geh mal nach ihr sehen. Gut gemacht, Joy.« War das sarkastisch gemeint? Nein. Sein Atem berührte meine Wange warm und weich und beinahe wie ein Kuss. Seine Stimme klang sanft - wie verwirrend. Ich hatte mir nicht gerade ein Lob erwartet.
    Neél folgte Alex. Graves und ich blieben zurück. Unschlüssig schwiegen wir uns an, während wir draußen die anderen beiden sprechen hörten, ohne ihre Worte zu verstehen.
    »Nun sag schon«, meinte Graves schließlich. »Was hast du damals in der Schule gesucht?«
    Ich dachte nicht gern an diesen Tag zurück, aber ich war ihm diese Antwort schuldig. Er hatte weit schlimmere Erinnerungen mit mir geteilt. Also erzählte ich ihm von unserem Auftrag, Felle gegen Essen einzutauschen, vom Schneider, der uns verraten hatte, von unserer Flucht und davon, dass Amber im Gegensatz zu mir nicht ins Clanhaus zurückgekommen war. Er hörte mir schweigend zu.
    »Und du?«, fragte ich schließlich. »Warum hast du dich ausgerechnet in eine Schule zurückgezogen?«
    Graves setzte sich auf die Tischkante und legte die Fingerspitzen aneinander. »Wir haben viele Verstecke für unsere Fundstücke. Damit sie mit niemandem von uns in Verbindung gebracht werden können, verstehst du? Es war ein großes Risiko, die Texte in Neéls Zimmer aufzubewahren. Er hätte arge Probleme bekommen können.«
    Ich wollte erwidern, dass Neél selbst abgeschriebene Texte in der fremden Sprache besaß und mit sich herumtrug, behielt es dann aber für mich. Vielleicht hatte auch Neél seine Geheimnisse. Stattdessen sagte ich: »Es ist klug von euch, nicht alles an einem Platz zu lagern. So gehen immer nur Teile verloren, wenn ein Versteck gefunden wird.«
    »Das ist

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