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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Füße kaum noch. Mein Oberhemd war dünn und an mehreren Stellen zerrissen, das Unterhemd nass geschwitzt. Eisiger Wind griff nach mir. Ich zitterte und selbst unter der Haube schlugen meine Zähne aufeinander.
    Zu Anfang versuchte ich, anhand der Richtung zu bestimmen, wo wir uns befanden, doch das Vorhaben war zum Scheitern verurteilt. Schnell verlor ich sämtliche Orientierung. Bloß bei dem Asphalt unter meinen Füßen konnte ich mir noch sicher sein. Einmal wurde es heller, Licht drang durch die groben Fasern. Doch dann versickerte die Helligkeit wieder. Vielleicht hatten wir den Lichtkegel einer Straßenlaterne gekreuzt.
    »Wohin bringt ihr mich?«, fragte ich irgendwann, obwohl ich mir keine Antwort erhoffte. Es kam auch keine. Durch mein Zähneklappern und den Stoff über meinem Kopf hörte ich nicht einmal ihre Schritte. Es war, als wären die Percents fort und ich trottete allein meinem Verderben entgegen.
    Das erste Wort, das ich nach schier endloser Zeit zu hören bekam, war: »Stufe.« Ich stieß mir trotzdem den Zeh und mir entwich vor Schmerz und Verzweiflung ein wimmernder Laut. Ich schämte mich für meine Schwäche, aber sie wurde immer stärker. Ich konnte kaum noch die Füße heben und mein Kopf schwang vor Müdigkeit hin und her. Ohne weitere Anweisungen zog man mich eine Treppe hoch. Ich nahm eine Hand von dem Seil um meinen Hals, damit ich mich am Geländer festhalten konnte. Es war rund und aus Eisen und unter meinen Fingern blätterten Rost und Farbe ab. Es ging einen Gang entlang und anhand der hallenden Schritte vermutete ich, dass immer noch beide Percents bei mir waren. In einiger Entfernung hörte ich Stimmen und Türen zufallen. Einmal glaubte ich, Essen zu riechen, aber der Eindruck verschwand nach wenigen Schritten. Wieder eine Treppe. Wollte das denn gar kein Ende nehmen?
    Meine Füße waren so schwer, dass ich sie kaum noch hochbekam. Die Haut an der Vorderseite meiner großen Zehen ratschte über den Boden, weil ich nur noch schlurfen konnte.
    Noch ein Gang.
    Stufen, diesmal nur drei, dafür abwärts.
    Und erneut ein Gang.
    »Stehen bleiben«, ertönte es und mir quollen vor Erleichterung Tränen aus den Augen.
    Es musste jetzt vorbei sein. Ich würde keinen Meter mehr gehen können. Ich tastete um mich, fand eine Wand und lehnte die Schulter dagegen. Es klackerte, wahrscheinlich schloss jemand eine Tür auf.
    »Weiter.«
    Ich schluchzte, zwang meinen Körper hinter dem fordernden Seil her.
    »Toller Soldat«, höhnte jemand hinter mir, vermutlich der Varlet. Sollte er doch in der Sonne schmoren! Ich konzentrierte mich darauf, ihn zu hassen, weil ich nur darüber den Schmerz in meinen Füßen verdrängen konnte.
    Wir gingen weiter, diesmal nur ein paar Schritte, die mir viel zu viel waren. Noch eine Tür wurde geöffnet. Das ganze Haus musste ein Monster aus Gängen, Treppen, Tunneln und Türen sein. Und ich hockte inmitten seiner Eingeweide. Es würde mich erst ausscheißen, wenn es mit mir fertig war.
    »Wir sind da.« Das Seil wurde gelockert, der Sack von meinem Kopf genommen. Gleißendes Licht ätzte sich in meine Augen. »Geh hinein.« Ehe ich mich umsehen konnte, stieß Cloud mich nach vorne und ich taumelte in einen Raum und stürzte. Die Tür fiel ins Schloss.
    Ich konnte es kaum glauben. Ich war allein.
    Tropfen zerplatzten auf dem Linoleum zwischen meinen Händen. Weinte ich? Ich versuchte, es einzudämmen - ich durfte jetzt nicht heulen! -, aber es war stärker als ich, wie an diesem Tag alles stärker als ich zu sein schien. Es schüttelte mich. Ich rollte mich zusammen, presste die Stirn auf den Boden und beide Fäuste vor den Mund, um die erbärmlichen Laute nicht nach draußen dringen zu lassen.
    • • •
    Der Schlaf tastete mit aufdringlichen Händen nach mir, aber ich schüttelte ihn ab. Wie lange ich auf dem Boden gelegen hatte, konnte ich nicht sagen. Haarsträhnen klebten mir an getrockneten Tränen im Gesicht fest. Meine Lider waren wund und die Lippen rissig. Erstmals sah ich mich um. Elektrisches Licht kam von einer länglichen Röhre an der Decke. Es gab ein Bett, keine Matratze am Boden, sondern ein richtiges, schmales, an die Wand montiertes Bett. Daneben stand eine Kunststoffkiste, den Deckel durchzog ein breiter Riss. Am anderen Ende des kleinen Zimmers gab es eine Nische, in der sich eine Toilette und ein Waschbecken eng aneinanderpressten. Ich starrte den Wasserhahn an, als wäre er bloß Illusion. Der Durst verdorrte meine Kehle - und hier gab es

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