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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Wasser? Das Aufstehen kam einem Kraftakt gleich. Schmerz stach in jeden Muskel, aber ich ignorierte es und stakste zum Waschbecken. Die Keramik war rissig und von einer Kalkschicht bedeckt. Es war echt. Es war keine Illusion, es war alles echt. Ich atmete tief ein, schloss die Augen und drehte am Hahn.
    Es rauschte.
    Es rauschte!
    Sofort schossen mir neue Tränen in die Augen, so erleichtert war ich. Das Wasser war sauber und schmeckte nach Eisen und Steinen. Ich trank, saugte es direkt aus der Leitung, bis ich mich verschluckte und mich fast übergeben hätte. Mein Bauch war prall vor Wasser und es rann noch immer aus der Leitung, als würde es nie versiegen. Ich spritzte es mir mit den Händen ins Gesicht, wusch mir Blut und Schweiß aus den Haaren, drehte den Hahn dann zu und ging zum Bett.
    Erst jetzt entdeckte ich das Fenster. Es war ein richtiges Glasfenster und bis auf ein paar Sprünge und verschimmelte Fugen in gutem Zustand. Aber es war so hoch, dass ich mich auf die Zehenspitzen hätte stellen müssen, um einen Blick hinauszuwerfen, und das würden meine Füße nicht mehr durchstehen. Es war ohnehin zu dunkel draußen, um etwas zu erkennen. Öffnen konnte ich es auch nicht, jemand hatte den Griff entfernt. Aber es gab ein Fenster und auch wenn es schmal war, würde ich vielleicht hindurchpassen, wenn ich es erst aufbekam. Morgen, sagte ich mir. Es war mir nichts mehr geblieben, weder Mut noch Kraft. Bis heute hatte ich nicht gewusst, wie erschöpft ein Mensch sein kann.
    Ich ließ mich auf das Bett sinken, Federn quietschten und mein Gewicht presste einen säuerlichen Kupfergestank aus der Matratze. Altes Blut. Es war mir gleich. Durch den kaputten Deckel sah ich eine graue Filzdecke in der Kiste. Ich zerrte sie heraus, breitete sie über mir aus und stopfte die Ecken unter meinen Po und meine angezogenen Knie. Behaglich wurde es dadurch nicht, aber ich würde nicht erfrieren. Das Licht ließ ich an. Neben der Leuchtstoffröhre prangte ein Wasserfleck an der Decke, den ich anstarrte. Seine Umrisse erinnerten mich an die Stadtkarten, die Matthial immer in den Sand gemalt hatte. Als ich elf Jahre alt gewesen war, hatten wir anhand seiner Karten das erste Mal die gemeinsame Flucht geplant. Wir kamen nicht weit, aber als wir nass und frierend zurückkehrten und das Durchbrennen auf den Sommer verschoben, lag unser erster Kuss hinter uns.
    Wo bist du nur, Matthial? Geht es dir gut?
    Und Amber ... Amber!
    In Pennys altem Liebesroman spürten Seelenpartner, ob der andere in Gefahr war. Ich spürte rein gar nichts. Nur Leere. Als existierten meine Freunde überhaupt nicht; als hätten sie nie existiert.
    Ich rollte mich zusammen, um mich an meinem eigenen Körper zu wärmen, und zog mir die Decke bis zum Kinn. Als ich die Augen schloss, schlief ich bereits.
    Ich hörte die ganze Nacht lang stille Schreie. Will, Liza, Amber ... und Matthial, über allen Matthial. Aber ich wachte nicht einmal auf.

8
    die schuld ist wie eine mutantratte.
immer hungrig.
    Mit dem Geruch von Verwesung in der Nase wurde ich wach. Ich war mir nicht sicher, ob ich noch dieselbe Person wie gestern Morgen war, ich fühlte mich völlig verändert. Vor Kurzem war ich noch bereit gewesen, Amber und Matthial für ein besseres Leben zu verlassen. Inzwischen hätte ich jedes Leben - selbst das bestmögliche -hergegeben, nur um zu erfahren, wie es ihnen ging. Ob sie noch lebten. Ob sie frei waren. Ich versuchte, die Schuld nicht an mich heranzulassen, denn Schuldgefühle nützten niemandem etwas, sie machten nur schwach. Aber das Gefühl hockte bereits in meinen Innereien, fraß von mir und vermehrte sich wie Fadenwürmer.
    Ich hatte Amber im Stich gelassen.
    Und ich hatte Matthial und die anderen zu einer aussichtslosen Rettungsaktion gedrängt.
    Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und sah zum Fenster. Massive Eisenstangen (die ich in der Nacht übersehen hatte) trennten mich vom fahlen Halbdunkel draußen. Sie hatten Dark Canopy heute offenbar schon früh am Morgen in Betrieb genommen. Wenn Rebellen Ärger machten, straften sie die Menschen oft, indem sie ihnen die zwei lausigen Stunden Tageslicht nahmen, die sie ihnen an normalen Tagen gönnten. Hier in der Stadt war der Himmel stärker verdunkelt als außerhalb. Die chemisch erschaffenen Wolken wirkten massiv, als könnten sie herunterfallen und alles unter sich zerdrücken. Schwer vorstellbar, dass sie wirklich aus Gas sein sollten, wie Laurencio behauptete.
    Der Gedanke an seine

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