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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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geringste Ahnung, warum ich ihn reizte. Vorteile würde mir das nicht verschaffen. Aber es nährte die kümmerlichen Reste meines Kampfgeistes. Und den brauchte ich mehr als alles andere.
    »Du stinkst«, sagte er, ohne sich die Mühe zu machen, die Zähne auseinanderzubringen.
    »Ich hoffe es.« Die Scham verdrängte ich. Sie konnten kaum Sauberkeit von mir erwarten, wenn sie mich auf einer verwesenden Matratze schlafen ließen.
    »Ich bringe dich zu den Duschen. Komm mit.«
    »Und dann?«, fragte ich, folgte ihm aber. »Was passiert dann mit mir?«
    »Das«, zischte er über seine Schulter, »erfährst du früh genug.«
    Ja, das fürchtete ich auch.
    Ich trottete mit gesenktem Kopf hinter ihm her und behielt meine Umgebung aus dem Augenwinkel im Blick. Wir durchquerten einen Raum, der so ähnlich aussah wie der, in den sie mich gesperrt hatten. Dieser war bloß größer und sauberer. Die Frau war verschwunden. Dahinter tat sich ein Gang auf. Lang war er, mit vielen Türen, die meisten hatten eine kleine Luke. Das Licht kam aus flackernden Röhren und wusch die Farben von allem, von den Wänden, den Böden und sogar von dem Percent und mir. Albtraumhaft. Ich hatte das Gefühl, dieser Gang würde sich endlos durch das Gebäude fressen.
    »Was ist das für ein Ort?« Ich flüsterte nur, aber meine Stimme klang schrecklich laut, weil es hier so still war.
    »Es war mal ein Gefängnis.« Er sprach tatsächlich laut, was mich einschüchterte und fast zum Schweigen brachte. Fast.
    Ein Gefängnis also. Natürlich! In einem von Matthials alten PSX-Spielen - Resident Evil 11 - musste man sich durch ein Gefängnis voller Zombies kämpfen. Real sah alles etwas anders aus als auf dem Bildschirm.
    »Sind hier noch mehr Menschen?«
    Er kippte den Kopf, warf mir einen abschätzigen Blick zu. »So ähnliche.«
    In meinem Gehirn ratterte es, ich senkte den Kopf noch weiter, damit er mich nicht denken sehen konnte. Ob Amber auch hier war?
    »Frauen?«, wagte ich mich weiter vor. Ich hörte ihn ausatmen. Er hatte keine Geduld mehr und noch weniger Lust, meine Fragen zu beantworten. Ich war ihm lästig, offenbar wollte er mich loswerden. Schön, da waren wir schon zu zweit.
    »Natürlich nicht«, sagte er. »Hier sind Soldaten.«
    »Soldaten?« Das war verwirrend. Was waren denn überhaupt Soldaten? Natürlich kannte ich das Wort aus Geschichten. Aber seit die Percents die Macht hatten, gab es keine menschlichen Soldaten mehr. Die Triade erlaubte so was nicht.
    Sein nächstes Ausatmen klang wie ein Seufzen. »Frag nicht.«
    Vorerst gehorchte ich. Er ging weiter, den Kopf starr geradeaus. Kein Blick nach links, kein Blick nach rechts. Die Hände hielt er an den Oberschenkeln. Weder sagte er etwas, noch gestikulierte er. Es ließ mich erschaudern, wie starr die Percents waren. So stark, so mächtig, aber dabei so wenig ... lebendig.
    Er schloss eine Tür auf und wir gingen durch einen gekachelten Gang. Vor einem Sichtschutz aus milchigem Kunststoff neben einem Regal, in dem unterschiedliche Stoffe lagen, blieben wir stehen.
    »Geh dich waschen«, befahl er. »Gründlich.«
    Ich schluckte, griff nach einem Stapel Stoff und trat hinter den Sichtschutz, wohl wissend, dass er meine Silhouette trotzdem sah. Nichts würde ihn aufhalten, mir zu folgen, wenn er das wollte ...
    Ich bemühte mich, meinen Atem unter Kontrolle zu halten. Angst nützt nichts, ermahnte ich mich. Im schlimmsten Fall ergötzte er sich daran.
    In meinem Elternhaus hatte es eine Dusche gegeben. Zwar war dort kein Wasser mehr geflossen, aber ich erinnerte mich noch, wie sie aussah. Es war eine schmale Kabine gewesen und von der Wand hing ein Schlauch, an dessen Ende ein Metallknüppel mit vielen kleinen Löchern, aus denen das Wasser kam, befestigt war. Hier war das anders. Der Raum war gekachelt, aber groß wie ein Saal. Er war bis in die letzte Fuge sauber und alles roch leicht nach Seife und Essig. Acht Wasserhähne hingen in einer Höhe von etwa zwei Meter fünfzig an der Wand. Nur die Drehgriffe sahen so aus, wie ich sie kannte. Ich legte die Stoffe in eine Ecke und schälte mich unbehaglich aus meinen Kleidern. Die Hose klebte mir an den Beinen, als weigerte sie sich, von meiner Haut abgelöst zu werden. Ich zerbiss einen Fluch und zerrte an den Säumen, bis irgendwo eine Naht krachte. Der Stoff riss mir den Schorf von den Knien, mit dem er beim Trocknen verwachsen war. Ein dünnes Blutrinnsal lief mein Schienbein hinab und ich glaubte, den Varlet hinter dem

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