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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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bisher hatte mir auch niemand derart penetrant Antworten vorenthalten. »Dann stimmt es, was sie sagten? Du hältst dich für etwas Besseres?« Ich wollte ihn nicht provozieren, ich brauchte die Hoffnung, dass es stimmte. Wer glaubte, besser als andere zu sein, war zumindest eins: anders.
    »Was bedeutet es denn überhaupt, ein Soldat zu sein?«, fragte ich. Er antwortete nicht. Brütete nur stur vor sich hin. »Und wohin gehen wir?«
    Die verflixten Endlosgänge sahen alle gleich aus. Aber ohne zu wissen, wo wir eine andere Abzweigung genommen hatten, erkannte ich, dass wir uns nicht mehr auf dem Weg befanden, den wir gekommen waren. Nach einer Gittertreppe tat sich ein Korridor vor uns auf, dessen Türen alle offen standen. Wind pfiff durch den Gang, schmerzhaft kalt auf meiner feuchten Haut.
    »Hier rein«, sagte Neél und blieb neben einer der Türen stehen. 276 stand daran.
    Ich trat ein und verharrte erstaunt. Der Raum sah nicht viel anders aus als der, in dem ich übernachtet hatte, nur, dass er größer war und es zusätzlich Schränke gab, einen Schreibtisch sowie zwei Betten nebst Plastiktruhen. Aus einer zog eine Frau mit ausladendem Hinterteil eine Decke und breitete sie über der Matratze aus. Bekam ich eine Mitgefangene? Der Gedanke, nicht ganz allein zu sein, ließ mich etwas leichter atmen.
    »Da ist sie ja!«, rief die Frau und zeigte ein mitfühlendes Lächeln. Ich glaubte, ihre Stimme wiederzuerkennen. »Neél, du hättest Kleidung für sie mitnehmen müssen, du Tölpel - das arme Ding ist ganz blau gefroren.«
    Neél grunzte. Mein Zustand war ihm vollkommen egal, aber mich irritierte es, dass diese Menschenfrau ihn zurechtwies, als wäre sie seine Mutter.
    »Cloud erwartet dich unten in der Halle«, sagte sie zu ihm und versetzte der Truhe einen Stoß mit dem Knie, woraufhin der Deckel zufiel. »Geh nur, ich komme hier klar.«
    Neél warf mir einen misstrauischen Blick zu. »Ich schließe besser ab. Wenn du nichts dagegen hast, Mina.«
    Er fragte sie um Erlaubnis? Wer zum Henker war diese Frau? Ich erinnerte mich an eine Verschwörungstheorie, über die ich mit Matthial gesprochen hatte. Es gab Rebellen, die nicht daran glaubten, dass die Percents die Weltherrschaft übernommen hatten. Ihren Überzeugungen zufolge waren immer noch ein paar ausgewählte Menschen die wahren Herrscher und die Percents nur deren Werkzeuge. Ich hatte das bisher für absurd gehalten - warum sollten Menschen ihrem eigenen Volk so etwas antun? -, aber angesichts dieser Frau und der Tatsache, dass der Varlet vor ihr kuschte, kam ich ins Zweifeln. Sie hatte pummelige Wangen und dicke, kurze Finger, was ihr etwas Freundliches, Mütterliches verlieh, aber ihre tiefliegenden, kleinen Schweinsaugen schienen mir nicht ganz ehrlich.
    »Los, los, zieh dir erst mal etwas an!«, rief die Frau und zog einen Stapel Kleidung aus einem der Metallspinde. »Das hat alles nicht die richtige Größe, aber vorerst wird es gehen, wenn du die Hose mit einer Kordel zusammenbindest, und morgen bringe ich dir Nadel und Faden, dann kannst du die Sachen ändern.«
    Schweigend zog ich die Männerunterwäsche aus fadenscheiniger Baumwolle an - recycelte Bettwäsche, vermutete ich - und stieg in die Hose. Mina reichte mir die Kordel und ich ließ sie kurz durch die Finger gleiten. Ein Seil, sei es noch so kurz, war keine effektive Waffe, aber ein Anfang, und die Nadel, die sie mir bringen wollte, klang vielversprechend. Das grobe Leinenhemd reichte mir bis an die Knie, aber ich war dankbar für jeden Zentimeter Stoff. Halb unters Bett geschoben, erkannte ich Schuhe und erstaunt stellte ich fest, dass es meine eigenen waren. Sie waren ganz nass und rochen nach Seife und Fett.
    »Gib mir das«, sagte Mina, als ich den Stoff aus meinen Haaren nahm. »Ich wasche es für dich aus.« Ich presste das Knäuel an meine Brust. Mein Papier! Inzwischen musste es nass sein und Seifenflecke haben, aber hergeben wollte ich es nicht.
    »Was hast du da?« Sie sprach mit mir wie zu einem verängstigten Kind; ruhig, aber bestimmt. Ich zog mein Unterhemd zwischen dem braunen Stoff hervor.
    »Ich möchte das behalten.«
    Sie zuckte mit den Schultern und nahm den übrigen Stoff entgegen. »Kein Problem, behalte dein Hemdchen, dann hast du etwas zu wechseln. Wasch es nur gut aus, sie sind geruchsempfindlich. Seife liegt am Becken.«
    So leicht? Ich biss mir auf die Unterlippe, spürte es erst, als der Schmerz einsetzte. »Ich habe Fragen. Vielleicht kannst du

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