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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Sichtschutz schaudern zu sehen.
    Roch er mein Blut?
    Ich musste mich beeilen. Schnell schlüpfte ich aus dem Hemd und nach einigem Zögern (das es mir nicht leichter machte) auch aus der Unterwäsche. Ich legte alle Kleidung auf einen Haufen, trat unter die erste Dusche und drehte beherzt am Knauf. Nur rasch das Blut abwaschen, ehe es ihn lockte. Eiskalt prasselte das Wasser auf mich nieder, stärker als ein Hagelschauer. Ich regulierte es ein wenig und griff nach einem Stück grober Seife, das in einer Halterung an der Wand lag. Seife hatte ich schon länger nicht mehr in der Hand gehabt. Im Winter gab es immer wichtigere Dinge einzutauschen und die Seifenstücke, die Penny aus Pottasche, Fetten und Kräutern selbst herstellte, waren allenfalls dazu geeignet, seinen Eigengeruch zu überdecken. Leider roch man dadurch selten besser.
    Bei dem Gedanken an meine Schwester wurden meine Wangen trotz des kalten Wassers ganz heiß. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich begriff, dass ich weinte. Ich musste an meinen Neffen denken, das kleine, plärrende Ding, das mir bisher immer so lästig erschienen war. Hier und jetzt hätte ich alles dafür gegeben, sein Geschrei zu hören statt meiner eigenen Jammerlaute.
    Ich schäumte mir die Haut ein. Die Haare. Aber wichtiger war das Wasser. Vielleicht war es kalt genug, um mich so weit zu betäuben, dass ich für eine Weile nicht mehr merkte, hier zu sein. Wenn sich im Clan jemand verletzte und genäht werden musste, betäubten wir die Stellen immer mit Eiswasser. Wie viel kaltes Wasser würde es brauchen, um einen ganzen Körper zu betäuben? Den Verstand?
    Es donnerte. Gewittergleich. Als sich der Laut wiederholte, begriff ich, dass der Varlet gegen den Sichtschutz schlug. Ich spülte den Seifenschaum aus meinen Haaren und drehte das Wasser ab. Dann eilte ich zu meiner Kleidung und trocknete mich mit den Stofffetzen ab. Ich griff nach meinem Unterhemd.
    »Du ziehst nichts davon wieder an!«, rief er. Seine Stimme hallte durch den Raum. Es klang, als käme der Befehl aus allen Richtungen. Ich versteifte mich unwillkürlich.
    »Komm raus. Lass die Sachen dort liegen. Jemand wird sie später wegräumen.«
    Jemand? Sicher, die Percents putzen bestimmt nicht selbst.
    Ich zog ein großes Stoffstück um meinen Körper, sodass Brust und Po bedeckt waren. Knapp bedeckt.
    »Mach schon!«
    Es hatte keinen Sinn, zu widersprechen oder zu verhandeln. Ich hatte erlebt, wie sehr ihn meine dreckstarrenden Kleider anekelten, er würde nicht erlauben, dass ich sie wieder anzog. Verdammt! Ich drehte mich um, zwang meine Füße zum Gehen und ließ meine Kleidung zurück. Ich raffte den Stoff enger über meiner Brust zusammen. Nun hatte ich gar nichts mehr. Alles war fort. Mein Messer, meine Schutzmarke, meine Kleidung ... Ich fuhr zusammen, als ich an mein Papier dachte. Diese bescheuerten zwei Bögen beschriftetes Papier. Heiße Wut brandete durch meinen frierenden Körper, für einen Moment wurde mir schwindelig.
    Nein. Ich würde mir nicht alles nehmen lassen.
    Nicht alles.
    Ich lief zurück, geriet auf den nassen Fliesen ins Rutschen und klatschte auf den Hintern, aber das bemerkte ich kaum. Hastig riss ich mein Unterhemd an mich. Ich musste es behalten. Denk nach, denk nach!
    Ich schnappte das Seifenstück, rieb damit über einen der kleineren Stofflappen und wickelte mein Unterhemd darin ein. Hoffentlich konnte ich seinen Geruchssinn damit überlisten. Dann nahm ich das letzte Stück Stoff und drehte es um meine Haare, das Knäuel aus Stoff und Unterhemd stopfte ich hinein. Mit etwas Glück fiel es ihm nicht auf - auch wenn es mir langsam lächerlich erschien, erneut auf Glück zu hoffen.
    Sein Blick glitt an mir herab, als ich zu ihm trat. Seine Haut vibrierte, ich sah ihn mit jeder Pore schnüffeln. Er machte einen Viertelkreis um mich herum und ich konnte nicht zurückweichen, weil sich hinter mir die Kunststoffwand befand. In seinen Augen veränderte sich etwas. Die schlitzförmigen Pupillen breiteten sich aus wie Ölflecken auf glattem Grund. Seine Nasenlöcher blähten sich beim Einatmen, als würde er mehr Luft brauchen. Sein anormal scharfes Gehör war gar nicht nötig, um mein Herz poltern zu hören. Jeder Mensch im Raum hätte es gehört. Innerlich bettelte ich, dass schnell vorbei war, was auch immer jetzt passieren würde. Dass etwas passieren würde, schien unausweichlich.
    Da flog die schwere Eisentür auf und knallte gegen die Wand.
    Einen Sekundenbruchteil lang wollte ich

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