Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
treffen sollen.
    Er hatte sie knapp verfehlt.
    Und nun gab es keinen Plan mehr.

10
    »du bist zu langsam.«
    Die Kälte der Gitterstäbe fraß sich durch meine Stirn und verursachte gleißenden Kopfschmerz. Draußen war es stockfinster. Auf dieser Seite des Gefängnisses gab es keine Lichter. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte und nach unten sah, erkannte ich einen schmalen Hof, bedrängt von der Mauer, die das Gelände einkreiste. Dahinter befand sich eine Straße. Mein Blick wanderte über kilometerweite Felder, die die Percents bewirtschaften ließen. Nach langem Starren gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich konnte sogar bis zum Zaun schauen, der die Stadt umringte. Dahinter lag der Wald. Bei Nacht sah er aus wie eine massive Wand. Substanz gewordene Finsternis. Tief in ihrer Mitte verbarg sich Jamies Clan, dessen Revier in diesem Wald lag.
    Mit einem lautlosen Seufzen wandte ich mich ab und ließ mich auf die Pritsche fallen, die Mina mir zugewiesen hatte. Das andere Bett war leer. Ich wusste inzwischen, dass es Neél gehörte - wie das ganze Zimmer. Er war nicht zurückgekommen und obwohl ich glücklich darüber war, zerrte die Gewissheit an meinen Nerven, dass er irgendwann zurückkommen würde. Der Gedanke, zu schlafen und hilflos zu sein, wenn er kam, war grässlich. Besser ich blieb wach.
    Der Tag hatte mich keinen Schritt weitergebracht. Bis auf die vagen Informationen, die Mina mir gegeben hatte, wusste ich nichts. Die Ahnungslosigkeit machte mich aggressiv und müde zugleich. Ich wollte toben und fand nicht die Kraft dazu. Gegen Mittag hatte Mina mir Essen gebracht. Gekochten Mais, Schinken, Brot in rauen Mengen, Schmalz und Käse. Dazu Ziegenmilch und ein schwarzes Gebräu aus Getreide, das bitter schmeckte und irgendwie wie ... gebraten. Konnte man ein Getränk braten? Außerdem hatte sie mir ein Elixier hingestellt, das angeblich gegen Parasiten wirken sollte. Mina meinte, Menschen von draußen hätten immer Parasiten und würden es aus Gewohnheit nicht merken. Ich kippte das Zeug runter, damit sie mich in Ruhe ließ.
    Seit der Erntezeit im letzten Jahr hatte ich nicht mehr so viel gegessen; ich aß, bis ich nicht mehr konnte und mein Magen schmerzte. Besser fühlte ich mich dadurch nicht und doch stopfte ich noch die letzten Reste zwischen meine Zähne und schluckte trotz Brechreiz. Ich würde nichts wegwerfen, wenn meine Freunde irgendwo da draußen hungerten, und noch weniger würde ich es den Percents zurückgeben. Später war ich dankbar für die Toilette mit Wasserspülung. Vielleicht lag es aber auch an der Parasiten-Medizin.
    • • •
    Ich zog beide Decken über meine Beine, obwohl ich wusste, dass Wärme meinem Entschluss, wach zu bleiben, gefährlich werden würde.
    Warme Decken. Essen im Überfluss. Fließendes Wasser, so sauber, wie ich es noch nie erlebt hatte. Dieses Gefängnis bot all die Dinge, nach denen ich mich so sehr gesehnt hatte, seitdem meine Familie die Stadt vor vielen Jahren mit mir verlassen hatte. Wie oft hatte ich wach gelegen und vor mich hin gegrübelt, über die Möglichkeit, die Rebellion Rebellion sein zu lassen und in die Stadt zurückzukehren. Nun hatte ich das alles; all das, wovon ich gedacht hatte, es zu brauchen.
    Und war mir, genau in diesem Moment, satt und in eine warme Decke gehüllt, so sicher wie noch nie zuvor in meinem Leben, dass wir das Richtige taten, indem wir uns auflehnten. Nein, mir war klar, dass wir noch stärker werden mussten. Kämpferischer. Härter.
    Denn klares Toilettenwasser hin, flohfreie Matratzen her - ich war gefangen. Es gab nichts, was sich schrecklicher anfühlte.
    • • •
    »Wach auf!«
    Mir entwich ein Laut, den ich nur durch ein hartes Zusammenpressen der Lippen davon abhalten konnte, ein Schrei zu werden. Ich blinzelte, mein Kopf ruckte hin und her und ich begriff, quälend langsam, wo ich war.
    »Genug geschlafen«, sagte Neél, wandte sich ab und zog Kleider aus einem Spind. »Dein Training beginnt.«
    Ich versuchte zu schlucken, aber mein Mund war zu trocken und meine Zunge von einem pelzigen Belag bedeckt. Ich taumelte leicht, als ich zum Waschbecken ging. Dort lag ein Bürstchen mit Holzgriff zum Reinigen der Zähne für mich bereit. Neél wartete mit verschränkten Armen und finsterer Miene. Ein stechender Geruch umgab ihn, den ich aus meiner Kindheit in der Stadt kannte: Er roch, als hätte er am Abend zuvor jede Menge Alkohol getrunken. Ich beeilte mich, ohne dass er ein Wort sagen

Weitere Kostenlose Bücher