dark canopy
fluchte still über das klappernde Geräusch, schloss beide Hände um die Streben der Feuerleiter und ließ die Stirn gegen eine Sprosse fallen. Ein feines Plonnnng schnurrte durch das Eisen und hallte schier endlos nach. Er hörte das Pferd in seinem Verschlag schnauben sowie leises Scharren, das vermutlich von den Ziegen kam. Im Haus blieb es still. Matthial begann den Aufstieg. Die paar Sprossen, die er normalerweise in Sekundenschnelle hinaufschoss, kamen ihm endlos vor, als würde die Leiter immer länger werden, je rascher er zu klettern versuchte. Er blinzelte ins Dunkel und hatte das Gefühl von Sand in den Augen. Endlich erreichte er das Fenster, an dessen verschlossenem Laden eine winzige Ecke abgebrochen war. Er steckte seinen eistauben Finger hindurch und tastete nach der versteckten Verrieglung. Nur leise sein, nichts anderes zählte. Er war nicht fähig, jemandem Rechenschaft abzulegen. Ehrlich gesagt, fühlte er sich nicht so, als würde er je wieder in der Lage dazu sein.
Wie sollte er erklären, was Will geschehen war?
Wie sollte er erklären, dass es umsonst geschehen war?
Einen schönen Clanführer würde er abgeben. Sein Vater würde ihn mit Schimpf und Schande zum Teufel jagen. Galle stieß in seiner Kehle auf und obwohl sein Magen seit dem Mittag nichts mehr hergab und er nur noch trocken würgte, fürchtete er, sich mit dem Geräusch zu verraten.
Der Riegel klemmte, Matthial rüttelte mit Zeige- und Mittelfinger. Irgendetwas machte den Metalldorn glitschig, sodass er immer wieder davon abrutschte. Als er die Strebe endlich davon überzeugen konnte, sich zur Seite schieben zu lassen, stand ihm vor Nervosität saurer Schweiß auf der Oberlippe. Er öffnete die Fensterläden ein winziges Stück, bis er mit einem Finger in die entstehende Ritze an der Außenseite zwischen Holz und Mauerwerk eindringen konnte. Auf halber Höhe fand er den dünnen Faden und löste ihn vom Häkchen. Die behelfsmäßige Alarmanlage hatte er selbst gebaut. Ein fremder Eindringling würde mittels des Fadens ein Tongefäß von einem Tisch reißen - das Geschepper dürfte den ganzen Clan wecken. Auch wenn die Konstruktion sein Plan gewesen war, fühlte er sich heute wie ein Eindringling. Er öffnete die Fensterläden und kletterte ins Innere. Ein Winseln kam ihm aus dem dunklen Gang entgegen, sein Hund hatte ihn sicher schon lange an seinen Geräuschen ausgemacht.
Schht, Rick, leise.
Nicht zum ersten Mal hatte er den Eindruck, der Hund würde seine Gedanken hören, denn der Rüde verstummte sofort. Nur noch das Klackern der Krallen auf dem Boden war zu vernehmen, als er zu ihm kam. Rick blieb still, aber sein Schwanz peitschte vor aufgeregter Freude hin und her.
Auch Matthial fühlte ein klein wenig Erleichterung, als der Hund seine Hände ableckte, wodurch wieder Gefühl in die tauben Finger gelangte. Mit dem Gefühl kam Schmerz. Er musste die Hand dicht vor seine Augen halten, um trotz der Dunkelheit etwas zu erkennen. Verdammt! Er hatte sich geschnitten. Sein Finger, der Fensterriegel, die Außenseite der Läden ... überall erkannte er schemenhafte Blutschlieren.
Frisches Blut. Eine bessere Fährte konnte er den Percents kaum legen.
Und dennoch schloss er die Läden und schlurfte zu seinem Zimmer, den Hund dicht neben sich, Ricks Wärme an seinem Knie.
Wenn es das gibt, was sie Gott nennen, dachte Matthial, halb an sich, halb an den Hund gerichtet, dann ist dies mein Opfer. Soll er mich holen lassen von den Teufeln der Nacht. Ich markiere meine Schwelle für ihn. Wenn er mich nicht holt, will ich es als Zeichen sehen, dass mein Tag noch nicht gekommen ist. Er erinnerte sich nur vage an die Geschichte vom Blut am Türstock und vermutete, dass er einen Fehler machte, aber das tat nichts zur Sache.
In seinem Zimmer, in seinem Bett, seinen Kissen begann Joys Geruch sich schon zu verflüchtigen. Matthial ließ sich auf den Rücken fallen, starrte an die Decke und kämpfte gegen den Schlaf, obwohl er wusste, dass er verlieren würde. Die Erschöpfung trieb in wilder werdenden Wellen durch seinen Körper.
Der erste Traum würde das wiederbringen, was er so mühsam zu vergessen versuchte. Joys Blick, als sie erkannte, dass er Willie niederschoss, um ihr ein paar Sekunden mehr Zeit zu verschaffen. Ihre Schreie, als sie begriff, dass diese Sekunden nicht reichen würden. Und die Erleichterung, die ihn durchströmte, als sie ohnmächtig geworden war, bevor er den letzten Bolzen abgeschossen hatte.
Den, der sie hatte
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