dark canopy
Gerammel wenigstens auch ein paar sinnvolle Interessen hätte! Ich verstand nicht, was Penny an ihm fand. Sie war zu gut für ihn, jeder sah das so, ausgenommen sie selbst.
Seufzend kam ich auf die Beine, wickelte mir meine Decke um die Schultern, ließ ein paar unflätige Bemerkungen zurück und trat aus dem Zimmer, das ich mir immer noch mit Penny teilte. Der Clan war in den letzten Jahren gewachsen, das Coca-Cola-Haus wurde langsam, aber sicher zu klein.
Barfuß schlurfte ich durch die Gänge. Bei der Sonne, wie sehr ich die Kälte hasste! Von draußen erklang das erbärmliche Heulen der wilden Hunde, die manchmal unseren Müll durchwühlten. Die froren sicher auch. Der Boden war so kalt, dass es wehtat draufzutreten. Als ich Matthials Tür erreicht hatte, überzog Gänsehaut meinen ganzen Körper. Ich klopfte mit den Fingerknöcheln gegen das Metall, doch bekam keine Antwort. Umso besser. Matthial war ein guter Redner, aber zuhören konnte er nur, wenn er schlief. Leise öffnete ich die Tür, stahl mich hinein und stieß mit dem Fuß gegen seine Matratze. Matthial war einer der wenigen mit einem eigenen Zimmer. Leider war sein Reich nicht mehr als eine ehemalige Besenkammer; es fasste nur die Matratze, einen Haufen aus Kleidung und Krempel, den er seinen Besitz nannte, sowie den Stuhl, auf dessen Sitzfläche er die Pflanzen zu trocknen versuchte, die er rauchte. Erfolglos natürlich. Fenster gab es nicht. Die Luft eignete sich besser zum Trinken denn zum Atmen und Matthials Körpergeruch, den ich für gewöhnlich mochte, mischte sich unangenehm mit dem modrigen Aroma der Blätter und dem Gestank seines alten Hundes. Vorsichtig stieg ich über Rick hinweg. Seine Augen glänzten kurz auf, ehe die Tür zufiel und wir in absolutem Dunkel zurückblieben. Mit den Zehen tastete ich nach Matthials Körper und ließ mich neben ihm nieder.
»Hmm, Joy?« Seine Hand suchte sich träge einen Weg unter meine Decke und meinen Pullover, bis er meinen Bauch berührte. »Du bist kalt wie ’n Fisch. Komm her.«
»Schlaf weiter«, flüsterte ich. »Ich will nur hier pennen.«
Er brummte etwas Unverständliches, nahm mich unter seine Decke und schloss die Arme um meine Taille. Ich wollte warten, bis er schlief, und ihm dann von allem Elend erzählen, das auf mir lastete. Von meinen Plänen, die davon handelten, dass ich ging. Ihn verließ, und mit ihm mein ganzes Leben und alles, was ich kannte. Doch seine Wärme und das gleichmäßige Heben und Senken seiner Brust lullten mich ein. Vielleicht atmeten er und sein Hund mir auch den Sauerstoff weg. In jedem Fall schlief ich noch vor ihm ein und die Entscheidung, die ich in dieser Nacht getroffen hatte, blieb mein Geheimnis.
• • •
Am nächsten Morgen hatten Amber und ich einen Auftrag zu erfüllen. Wir mussten in die Stadt, um Lebensmittel zu organisieren. Wie wir das anstellten, blieb uns überlassen. Zwar nahmen wir Felle mit, die bei der Kälte sicher begehrt waren, doch ob die Städter überhaupt etwas zum Tauschen hatten, war eine ganz andere Frage.
Ich witzelte, dass Mars uns nur darum bat, weil er auf unsere Inhaftierung hoffte, um zwei hungrige Mäuler weniger versorgen zu müssen. Amber fand meinen Zynismus selten komisch, aber diesmal wurde sie ernsthaft sauer.
Unser Clan war nicht arm, verglichen mit anderen ging es uns recht gut. Immerhin besaßen wir zwei Milchziegen und ein paar Hühner. Unser größter Stolz war das störrische Pferd, eines der wenigen, das von Menschen über die Hungerszeiten gebracht worden war. In den letzten beiden Wochen war der Clan jedoch erneut um drei Menschen gewachsen: eine Flüchtlingsfrau sowie zwei junge Männer. Wir nannten sie die Matches-Brüder, weil sie lang und dünn waren, feuerrotes Haar besaßen und dadurch wie Streichhölzer aussahen. Die Schwester der beiden war von den Percents als Dienerin eingezogen worden. Nun wollten die Brüder Rache und erwarteten, diese in unseren Reihen ausleben zu können. Leider erwarteten sie auch, dass wir sie durchfütterten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, im Winter kamen immer Neue. Genau dann, wenn wir sie am wenigsten gebrauchen konnten.
»Ich werde Weggehen«, sagte ich, nachdem Amber und ich eine gute halbe Stunde schweigend marschiert waren.
Wir hatten ein Stück kahlen Ahornwald hinter uns gelassen und durchquerten nun Bomberland, jenes Gebiet, in dem im Krieg alles Lebendige ausgelöscht worden war. Selbst jetzt, viele Jahrzehnte später, gab es hier nicht mehr als
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