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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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dass meine Gedanken keinesfalls kindische Spinnereien gewesen waren. Das Hotel war Kopf und Herz der Percents. Ihre wichtigsten Männer lebten oder arbeiteten hier. Wenn man es vernichtete, würde der Blutstrom ihrer Gesellschaft möglicherweise versiegen und damit auch Dark Canopy. Leider ahnten die Percents das auch. Sie schützten es gut.
    Wie gut, wurde mir klar, als Neél einem der Wachmänner am Eingang ein Zeichen gab. Daraufhin spannte dieser seine große Armbrust mit dem Fuß und legte auf mich und mein Pferd an.
    »Das war deine Entscheidung«, sagte Neél und stieg ab. »Warte hier.«
    »Worauf?« Ich nahm die Zügel kürzer, denn es kam Unruhe in die Tiere. Seid doch brav, bitte, beschwor ich sie still.
    »Auf mich. Ich muss die erweiterten Passierscheine für uns abholen. Wünsch mir Glück, dass das Büro des Schreibers frei ist.«
    Damit ließ er mich mit den nervösen Pferden im Fadenkreuz einer Waffe stehen, die lederbezogene Holzschilde zum Bersten brachte. Die Tiere traten mit den Hufen von links nach rechts und vor und zurück. Sie schlugen mit den Köpfen und schielten die Straße hinunter, als sondierten sie den schnellsten Weg in ihre düsteren Stallungen zurück. Ich stieg ab und hielt dabei den Armbrustschützen im Blick, versuchte ihm Harmlosigkeit zu signalisieren. Er glotzte durch mich hindurch. Aber die Waffe blieb starr auf mich gerichtet. Der Typ konnte bestimmt Stunden so stehen, ohne sich einmal zu rühren. Die Stuten tanzten auf der Stelle und bewegten die Hinterteile in Halbkreisen um mich herum. Auf meiner Stirn und in meinen Handflächen bildete sich Schweiß, die Zügel wurden glitschig und in meinem Kopf bollerte Panik. Wenn sie sich losreißen, schießt der Wachtyp uns alle tot.
    Ich war so damit beschäftigt, die lebensmüden Pferde in Schach zu halten - mit jeder Hand umklammerte ich einen metallenen Gebissring -, dass ich kaum merkte, wie sich jemand an mich heranpirschte. Ich sah ihn nur aus dem Augenwinkel, doch schnell war klar: Er beobachtete mich. Offenbar hatte er ziemliches Interesse an mir ... oder den Pferden. Ob der Wachmann wohl auch potenzielle Pferdediebe erschoss?
    »Was willst du?«, rief ich, als der fremde Percent auf zwei Meter herangekommen war.
    Etwas an ihm irritierte mich, auch wenn ich nicht gleich erkannte, was es war. Er mochte Mitte zwanzig sein und trug einen Pullover aus Schurwolle. Percents trugen für gewöhnlich keine Wollpullover. Aber auffälliger war seine Frisur. Aus seinem bis in den Nacken reichenden Zopf hing links und rechts von seinem Gesicht jeweils eine Strähne, als hätte der Wind sie aus dem Gummiband gelöst und an seine Schläfen geschmiegt. Doch dafür war sein Haar viel zu glatt. Ob er sich der einheitlichen Frisur mit Absicht verwehrte?
    »Musst du mir hier die Gäule verrückt machen, Percent?«
    Er lachte leise, es klang wie das gutmütige Blubberwiehern von einem der Pferde. »Bisschen spät dafür. Das hast du schon allein geschafft.« Zwar trat er näher und klopfte der Fuchsstute den Hals, aber Anstalten, mir behilflich zu sein, machte er nicht. Dafür musterte er mich, als wäre ich selbst ein zum Verkauf stehendes Pferd. Sein Blick tastete meine Oberschenkel und Waden ab, in seinen Mundwinkeln spielte Zufriedenheit mit Überraschung.
    Ich unterdrückte den Wunsch, wie die Pferde mit dem Fuß aufzustampfen. »Haben wir Markttag? Oder was glotzt du so?«
    Kurz biss er die Zähne zusammen - es sah aus, als würde ihm sonst der Unterkiefer runterklappen. Dann lachte er. Ein ehrliches, lautes, offenes Lachen, wie ich es eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gehört hatte. Es erstaunte mich und selbst die Pferde standen einen Moment still.
    »Jawohl, du musst Neéls Mädchen sein!«, rief der Percent. Er sah aus, als würde er gleich meinen Arm anstupsen oder sich selbst auf die Schenkel hauen vor Erheiterung.
    »Soldat«, berichtigte ich. Neéls Soldat - aber ich würde eher meine Stiefel fressen, ehe ich das aussprach. »Aber wie kommst du darauf?« Zwar war ich der einzige weibliche Soldat, aber es gab schließlich jede Menge Dienerinnen oder Städterinnen.
    »Das Mundwerk.« Er zeigte auf mein Gesicht. »Jeder andere hätte dir längst die Lippen zusammengetackert. Dein Glück, dass der alte Neél selbst so geschwätzig ist.«
    Ich schnaubte. Geschwätzig hätte ich anders definiert.
    Der Percent wies zum Eingang. »Da kommt er ja. Entschuldige mich.«
    Verwirrt sah ich ihm nach. Seine Höflichkeit schien mir

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