dark canopy
mir geschah. Plötzlich hing es an mir. Ich spürte etwas Scharfes, dort, wo mein Hals in die Schulter überging. Ich versuchte, es wegzudrücken, packte in verfilztes Fell, wo bei Menschen Haare sind. Es heulte, fauchte, ein schrilles Lärmen, und biss mich in die Hand. Der Schmerz schaffte das, was dem Schreck nicht gelungen war. Ich schrie auf. Im nächsten Augenblick ließ das Wesen von mir ab. Es sprang gegen die Wand, stieß sich daran ab wie ein Eichhörnchen und verschwand im Taubenzimmer. Für einen Sekundenbruchteil war ich wie paralysiert und starrte auf meine Handkante. Blut und Wundwasser traten aus. Bei der Sonne - was hatte mich da gebissen? Was war das für ein Geschöpf? In meinen Ohren rauschte es.
Ich schwankte ein wenig, stolperte der Kreatur hinterher und sah noch, wie sie durchs Fenster nach draußen sprang. Direkt auf mein Pferd zu!
Ich schrie ein zweites Mal auf, warf mich herum und prallte auf dem Treppenabsatz hart mit Neél zusammen, der nach oben gepoltert kam.
Er packte mich an den Schultern. »Was ist passiert?«
»Runter!«
»Bist du verle-?«
»Die Pferde!«
»Joy!«
Ich riss mich von ihm los, um nach unten zu stürmen. Er blieb dicht hinter mir und fluchte, als wir aus dem Haus rannten. Meine Stute war in Panik geraten, sie wieherte, zerrte an den Zügeln und riss beinahe den Torpfosten aus der Erde. Von Neéls Fuchs sahen wir nur noch das runde Hinterteil, wie es in einer Staubwolke am Ende der Straße verschwand.
Was auch immer mich da angefallen hatte - es war fort.
Ich lief zu meinem Pferd, klopfte ihm den Hals und redete mit brüchiger Stimme auf es ein. Nur langsam beruhigte es sich. Meine Finger zitterten, ich schaffte es nicht, die Zügel vom Zaun zu lösen, weil sich der Knoten festgezogen hatte. Die Nervosität türmte sich in mir auf wie eine Welle, kurz bevor sie bricht. Ich musste etliche Male die Nase hochziehen.
»Joy!« Neéls Stimme war laut und energisch und erst jetzt registrierte ich, dass er die ganze Zeit versucht hatte, mit mir zu sprechen. Er löste meine Finger mit sanfter Gewalt und entknotete die Zügel selbst. Dann sah er mich an. »Bist du verletzt?«
Ich starrte auf meine rechte Hand. »Es hat mich gebissen. Nicht doll.« Aber ich wusste, wie gefährlich Tierbisse sein konnten, wenn das Tier krank war. Und das war noch nicht mal ein Tier gewesen.
»Was war es?«, fragten wir wie aus einem Mund. Für einen Moment starrten wir uns ratlos an. Ich hatte angenommen, er würde es wissen, und in seinen Augen stand, dass er dasselbe von mir dachte.
Ich räusperte mich und sah mich um. »Wo ist es hingelaufen? Es kann nicht weit sein. Wir müssen -«
»Schon gut«, sagte er. Seine linke Hand lag plötzlich auf meinem Oberarm. Er drückte mir die Zügel in die gesunde Hand und nahm die verletzte in seine. »Lass mich das erst ansehen.«
Gemeinsam starrten wir auf meine dreckverschmierte Hand. Er rieb mit dem Daumen über die Wunde, was bestialisch brannte. Ich zuckte zurück.
»Schhht«, machte Neél.
Ich fragte: »Was machst du?«, aber er schüttelte nur den Kopf, hielt meine Finger fest und wartete auf irgendetwas.
Vielleicht war es der abebbende Schreck, der den Boden ein wenig schwanken ließ. Noch immer raste mein Herz wie verrückt. Neél hatte die Lider gesenkt und ich sah, wie seine Wimpern hauchfein zitterten, als striche der Wind hindurch.
»Was ...?«, begann ich, ohne zu wissen, was ich fragen sollte.
Noch einmal machte er »Schhht«, wobei sein Atem die Wunde streifte.
Warum war meine Hand auf einmal auf Höhe seines Gesichts? Ich musste schwer schlucken und konnte es doch nicht. In meinem Kopf trudelten die Erinnerungen an tausend Worte, die man über sie erzählte. Über die Percents und damit auch über Neél. Bluttrinker. Menschenfresser. Sie töten dich nicht. Nicht gleich - damit dein Fleisch länger frisch bleibt.
Er roch an meiner Verletzung. Das war es, was er tat. Zuerst hatte er den Geruch über die Haut eingesogen, nun mit der Nase. Seine Haut war warm und ich glaube, meine Hand war nicht die einzige, die zitterte. Er leckte mit der Zungenspitze über die Bisswunde. Als er den Mund wieder schloss, bebte seine Unterlippe. Und ich hatte jede Menge schauerliche Dinge im Kopf und glaubte ach so viel zu wissen, was mich panisch machen sollte. Nur Angst, die hatte ich nicht. Kein bisschen. Stattdessen beruhigte sich mein Puls und mein Magen zitterte zwar noch, aber beinahe ein wenig wohlig. Meine Nackenhärchen
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