dark canopy
tanzten.
»Ich bin mir ganz und gar nicht sicher«, sagte er - und ich fühlte mich ehrlich gesagt recht ähnlich -, »aber ich glaube, das war ein Mensch.«
»Was?« Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, wovon er überhaupt sprach. Meinte er mich? Oder dieses Wesen? »Das, was mich gebissen hat? Das soll ein Mensch gewesen sein?«
Er zuckte mit einer Schulter. Sein Gesicht sagte Ja.
»Es sah nicht sehr menschlich aus«, gab ich zu bedenken und entwand ihm vorsichtig meine Hand. Ich drückte auf die roten Wundränder, die bereits anschwollen. »Und es klang auch nicht wie ein Mensch. Außerdem beißen Menschen nicht.«
Neél zog eine Braue hoch. »Was also bist du?«
Das Blut schoss mir ins Gesicht. Eine kleine, bleiche Narbe an seinem Kiefer war als Andenken zurückgeblieben. »Das war etwas anderes!«
»Natürlich«, sagte er und schmunzelte, aber das Grinsen verging ihm schnell wieder. »Wenn es ein Mensch war, dann war es in jedem Fall ein sehr schmutziger. Wir sollten die Wunde aus-waschen.«
Das klang vernünftig. »Und dein Pferd einfangen.«
»Das läuft nicht weit.« Neél blickte hinauf zu den Fenstern. Sie sahen aus wie aufgerissene Mäuler und ich wollte nur noch fort hier.
»Willst du dem ... Ding folgen?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Bei dem Tempo, mit dem es verschwunden ist, hätte das ohne Verstärkung keinen Sinn. Vermutlich kennt es sich hier besser aus als wir.« Er warf einen Blick auf meine Hand, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und verkniff es sich dann doch. Er räusperte sich und setzte erneut an. »War dort oben noch etwas oder können wir gehen?«
Ich senkte den Kopf und wandte mich ab. »Nichts.«
Es schmeckte bitter, ihn anzulügen, und vermutlich war es falsch. Die Stofffetzen dort oben würden uns gewiss verraten, ob es tatsächlich ein Mensch gewesen war, der mich gebissen hatte. Aber wenn es einer war, dann musste es ein sehr kleiner Mensch sein und noch dazu ein Rebell - ein zu Tode verschrecktes Rebellenkind. Das war immerhin möglich. Das Fell auf dem Kopf hätte verfilztes Haar sein können und die Krallen schmutzige, lange Nägel. Und wer war ich denn, dass ich ein Rebellenkind an einen Percent verriet?
Ich grub die Hände in die Jackentaschen und griff in etwas, das ich fast vergessen hatte. »Ist es wahr«, neckte ich Neél, »dass ihr Percents euer Fleisch roh verzehrt?«
»Am liebsten lebendig«, gab er staubtrocken zurück.
Ich grinste und zog die glibbrige, schleimige Masse zweier zerdrückter Taubeneier aus der Tasche. »Falls du Hunger hast ... das schmeckt sicher auch nicht schlechter als mein Blut.«
Das sah er anders, denn er verzog das Gesicht und ich sah zum ersten Mal in meinem Leben einen Percent, der sich ekelte.
• • •
In dieser Nacht fand ich trotz Erschöpfung keinen Schlaf. Meine Hand pochte. Schmerzhafter als die Bisse waren die Verbrennungen. Neél hatte die Wunde mit heißem Wasser ausgewaschen. Es hatte eine gute Temperatur gehabt, um Percenthaut zu säubern, für Menschenhaut war es allerdings deutlich zu heiß gewesen. Aber ich hatte die Zähne zusammengebissen, weil ich nicht jammern wollte. Seit wann verhielt ich mich derart blöd, nur um mir vor einem Percent keine Blöße zu geben? Ich hatte es verdient, dass mir nun die Hand mehr wehtat als vorher.
Neél hatte mit niemandem über den Zwischenfall gesprochen, doch ich wagte nicht zu hoffen, dass er es dabei belassen würde. Er war und blieb ein Percent und es war bloß eine Frage der Zeit, bis er mit einer Gruppe anderer zur Siedlung reiten und das Kind einfangen würde. Jeder freie Mensch war ihnen ein Dorn im Fuß, den es zu entfernen galt. Ich konnte nur hoffen, dass das kleine Biest schlau war und sich ein neues Versteck suchte.
Neéls Decken raschelten. »Joy? Alles in Ordnung?«
»Sicher.«
»Sicher? Du starrst Löcher in die Luft. Ich kann nicht schlafen, wenn du das tust.«
Mit einem Lächeln im Gesicht grübelte ich über eine schlaue Antwort, aber bevor mir etwas einfiel, drehte er sich um. Ich hätte schwören können, sein leises Lachen zu hören.
23
er hat gesagt, alles sind zeichen.
Am nächsten Morgen brachte Neél mich erneut zu dem Speiseraum, in dem die anderen Soldaten frühstückten. Auf dem Weg kam uns ein Percent entgegen, der vermutlich etwas jünger war als Neél. Sie begrüßten sich mit freundschaftlichen Schlägen auf die Schultern.
»Wie ich sehe, geht es dir schon wieder viel zu gut, du Vogel!«, rief Neél mit
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