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Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Titel: Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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opfern?
    Joash lachte bitter. Die Welt hatte ihm ins Gesicht gespuckt und wollte ihn tot. Doch dies war sein Leben, und er würde es so leben, wie es ihm passte. Er würde frei sein. Wirklich frei … Es war eine einfache Entscheidung.
    Der Onovan beugte sich über ihn und zeigte ihm zweimal die gespreizten Finger seiner beiden Hände. Joash verstand, dass er noch genau zwanzig Sekunden Zeit hatte, bis die Metallfesseln seine Knochen zermalmen würden. Die Gurte waren jetzt so eng, dass sie ihm ins Fleisch einschnitten. Blut tropfte auf den Boden. Joash spürte den Druck, spürte, wie das Metall seine Blutbahnen abklemmte und seine Hände und Füße taub machte. Die Schmerzen in seinen Oberarmen und Oberschenkeln waren dagegen unbeschreiblich. Es lag in seiner Hand, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Nur zwei simple Worte, und er hatte seine Freiheit zurück … Ach, Freiheit …
    Seine Schläfen hämmerten. Seine Backenknochen arbeiteten. Schnaubend lag er da, während sein Hirn unter Hochdruck arbeitete. Er wusste, was er wollte.
    «Kommt her!», sagte er mit zäher und entschlossener Stimme. Der Onovan kam zu ihm und bückte sich, um die Worte zu verstehen, die der Bursche ihm zu sagen hatte.

    Die Tür zu Aliyahs Zimmer ging auf, und das blinde Mädchen hörte die unverkennbaren Schritte eines Onovans, der den Raum betrat. Mit einem Lächeln auf den Lippen sprang sie vom Bett, das Buch an ihre Brust gedrückt, und voller Stolz proklamierte sie die Botschaft:
    «Bevor Ihr nicht glaubt, könnt Ihr nicht sehen, und was Ihr in dieser Welt seht, ist nichts, woran Ihr glauben könnt. Doch er sieht nicht, wie die Menschen sehen – er sieht des Menschen Herz.»
    Sie legte das Buch aufs Bett zurück und wollte weiterreden, doch im selben Moment sprang ihr Nayati in die Arme. Sie lachte und weinte gleichzeitig. Der Duft von frisch gebackenem Brot hing in der Luft, doch Aliyah verspürte keinen Hunger.

    Joash holte tief Luft und spuckte dem Onovan ins Ohr, als er knurrend verkündete:
    «Befreit ihn ! … Befreit ihn, Ihr Idiot!»
    Und dann begann er wie wild an seinen Fesseln zu zerren. Er lachte und fluchte, spuckte und weinte. Die Legende besagte, Gott hätte sich von Shaíria abgewandt, und wegen seiner eigenen schlimmen Vergangenheit hatte Joash eigentlich keinen Zweifel daran, dass Gott sich auch von ihm abgewandt hatte. Er hatte über Freiheit nachgedacht. In diesen wenigen Sekunden, bevor seine Arme und Beine für immer verkrüppelt sein würden, hatte er über sein Leben nachgedacht und darüber, wie erbärmlich es doch war. Er war nicht frei. Er war unglücklich, alleine und wütend. Warum würde er dieses Leben zurückhaben wollen? War es nicht besser, wenigstens ein Mal etwas richtig zu machen, als weiterhin ein hoffnungsloses Leben zu führen? Er hatte die Chance, etwas Gutes zu tun. Er hatte die Chance, eine gute Entscheidung zu treffen, vielleicht zum ersten Mal in seinem armseligen Leben. Und er wählte Ephrions Freiheit.
    Sein eigenes Leben war ihm egal. Es kümmerte ihn nicht mehr. Sollten die Metallbänder doch seine Knochen brechen, sollte diese grausame Maschine doch heute sein Leben beenden. Er war bereit. Es gab nichts mehr, was ihn noch hätte zurückhalten können. Nur das eine würde er sich nicht nehmen lassen: Er würde sich nicht kampflos dem Tod preisgeben. Er würde schreien und kämpfen bis zum letzten Atemzug.
    «Tötet mich! Tötet mich!», brüllte er, während er sich mit aller Kraft gegen die sich zuziehenden Metallfesseln stemmte.
    Und da geschah etwas Seltsames. Plötzlich sprangen die tödlichen Gurte mit einem Klicken auf. Seine Arme und Beine waren frei, die Tür stand offen, und der Onovan war verschwunden. Jemand rief ihm von draußen etwas zu. Es war Ephrion.
    «Hey, Alter. Wirst du drei Brötchen zum Frühstück essen, oder kann ich eines davon haben?»
    Joash setzte sich auf und schüttelte seine Arme und Beine. Sie kribbelten, als würden tausend Nadeln in ihnen stecken, und die Wunden schlossen sich. Er ließ sich zurückfallen, und ein Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus.
    «Nein, Alter», rief er zurück. «Du kannst es haben.»

    Die morgendliche Luft war klar und kühl, was sehr erfrischend war nach all der Aufregung, die die Jugendlichen bereits hinter sich hatten. Sie waren alle noch etwas durchgeschüttelt und aufgewühlt von ihrem Test, doch jetzt, wo sie ihn bestanden hatten, wartete das beste Frühstücksbuffet auf sie, das sie jemals zu Gesicht bekommen

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