Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Glas frischgepressten Orangensaft ein.»
«Habt Ihr gesagt: Orangensaft?», staunte Ephrion. «Ich habe noch nie Orangensaft getrunken.»
Der Onovan schenkte ihm ein, und als Ephrion den köstlichen Orangensaft trank, glaubte er endgültig im Paradies zu sein.
«Bei Shaíria, schmeckt der lecker! Mmmmmh! Darf ich noch ein Glas davon haben, bitte?» Nachdem er das zweite Glas fast in einem Zug hinuntergespült hatte, klaubte er sich ein Brötchen aus dem Brotkorb. Es war noch immer warm und duftete herrlich frisch.
«Du musst von unserem Honig probieren», ermunterte ihn der Master und reichte ihm den Honigtopf.
«Honig gibt es auch?! Echten Honig? Im Ernst?»
«Von unserem eigenen Bienenstock. Nehmt nur, er wird Euch bestimmt schmecken.»
Ephrion strahlte vor Begeisterung. Hastig schmierte er sich ein Honigbrötchen und begann gutgelaunt zu essen. Alle Angst war verflogen. Er kam sich beinahe vor wie ein Prinz. Erst nachdem er das halbe Brötchen verschlungen hatte, wandte er sich Master Kwando zu und fragte ihn mit vollem Mund:
«Warum bin ich hier?»
Gerade als er diese Frage stellte, flatterte ein kleiner blauer Schmetterling auf Ephrion zu und landete direkt auf seiner Nasenspitze.
«Weil Ihr Schmetterlinge heilen könnt», antwortete ihm Master Kwando und lächelte.
59
Miro öffnete die kleine rote Schachtel und fand darin einen gelben, akkurat zusammengefalteten Zettel. Er holte tief Luft und nahm ihn heraus. Es kam ihm vor, als würde das Papier tausend Pfund wiegen. Miro hatte schon viele Prüfungen bestehen müssen, aber vor keiner hatte er sich so gefürchtet wie vor dieser. Allerdings – als er den Wecker zusammenbauen musste, um Kataras Leben zu retten, war das genauso schlimm gewesen. Mit zitternden Händen faltete er das Blatt auf und las die Aufgabe, die darauf geschrieben stand, mit lauter Stimme. Es war eine Frage. Ein Rätsel.
«Welche Antwort beantwortet die Frage, selbst wenn sie nichts beantwortet?»
Miro starrte auf das gelbe Papier und las die Frage mehrmals durch.
«Welche Antwort beantwortet die Frage, selbst wenn sie nichts beantwortet?»
Tausend Möglichkeiten fielen ihm ein, aber er wusste, dass nur eine einzige Antwort die richtige war, und er wusste auch, dass er nur eine einzige Chance hatte. Er grübelte und grübelte, während das große Pendel der Standuhr hin- und herschwang und Miro mit jedem Schlag daran erinnerte, wie wenig Zeit er noch zur Verfügung hatte, um das Rätsel zu lösen.
Er knabberte an seinen Fingernägeln herum, schritt wie ein Tiger im Käfig auf und ab, während er sich die Frage immer und immer wieder raunend stellte. Er zählte im Takt des Uhrenpendels die Sekunden mit und wurde dabei nur umso nervöser. Er schätzte, dass seine Galgenfrist bereits auf drei Minuten geschrumpft war. Er musste sich beeilen.
22 … 21 … 20 … 19 …
Wie konnte er sich auf die Beantwortung der Frage konzentrieren, wenn das Einzige, das ihm durch den Kopf ging, Nummern waren, die er rückwärts aneinanderreihte?
Was ist die Antwort?, fragte er sich die ganze Zeit. Er schritt zum Fenster, zeichnete mit dem Finger unsichtbare Lösungsmöglichkeiten an die Scheibe. Er rief sich Liedtexte in Erinnerung, Märchen und Sagen.
15 … 14 … 13 … 12 …
Doch nichts schien die perfekte Antwort auf das dumme Rätsel zu sein. Miro ärgerte sich über sich selbst. Seine Gedanken waren zu komplex für ein so kindisches Wortspiel. Dieses Rätsel war zu einfach für seinen hohen Intellekt. Daher fand er die Lösung nicht. Er suchte viel zu weit weg. Die Antwort musste so lächerlich einfach sein, dass er sie gerade deswegen nicht erkennen konnte. Und das machte ihn umso wütender. Er wusste genau: Der Master hatte ihm absichtlich etwas gegeben, das unter seinem Niveau lag, um ihn genau damit bloßzustellen. Mit einem Spiel, aus dem er sich nicht wie üblich mit klugen Sprüchen und kleinen Lügen herauswinden konnte, sollte er sich vor allen andern blamieren. Dieser Test hatte nur das eine Ziel: dass er scheitern sollte.
Doch was bezweckte der Master damit? Warum spielte er dieses Spiel mit ihm? Wie konnte er nur so hinterhältig und gemein sein?
Die letzte Minute war angebrochen, und das gleichmäßige Ticken der Standuhr brachte Miro beinahe um den Verstand.
59 … 58 … 57 … 56 …
Sie würden sich köstlich amüsieren über seine Dummheit. Sie würden andauernd blöde Sprüche reißen. Aber noch schlimmer, als vor den andern als Versager dazustehen, würde es
Weitere Kostenlose Bücher