Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
sich um und ging davon …
Katara stand noch immer vor dem Spiegel. Gedankenversunken ließ sie ihre Finger über ihr Gesicht gleiten und betrachtete dann ihre Hände. Es waren starke Hände; Hände, die ein Schwert halten konnten; Hände, die kämpfen konnten, für den König, für die Wahrheit … Sie hielt inne und runzelte die Stirn. Für die Wahrheit? … Ihr Herz begann mit einem Mal schneller zu pochen. Sie spürte etwas. Tief in ihrem Herzen spürte sie auf einmal etwas, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Doch es war da, wie ein Samenkorn, das jemand in sie hineingelegt hatte und das darauf wartete zu wachsen. Sie versuchte es mit ihren Gedanken zu zerstören, doch es ließ sich nicht bewegen.
Sie hat die Wahrheit gesagt, durchfuhr es Katara heiß. Es ist alles wahr … Die Prophezeiung ist wahr … die Berufung …
Sie schluckte und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Doch es ging nicht. Die Gewissheit war auf einmal so stark, dass es schmerzte in ihrer Brust. Sie wusste auf einmal, wer sie war und welche Aufgabe ihr zugedacht war. Es zerriss sie schier, als ihr bewusst wurde, was dies bedeutete.
Sie musste an ihren Vater denken. Er war der erste schwarze Ritter des Königs, und sie war seine Tochter. Es lag in ihrem Blut, den König und sein Königreich zu beschützen. Sie hatte es geschworen. Sie hatte geschworen, für den König zu leben – und zu sterben, wenn es sein musste.
Aber was war mit der Prophezeiung? War sie stärker als ihr Gelübde? Oder sollte sie um der Ehre willen die Prophezeiung ignorieren? Ja, vielleicht sogar … bekämpfen? Auf welcher Seite stand sie?
Katara wusste, dass sie sich entscheiden musste, hier und jetzt. Sie wusste, dass es keinen Mittelweg gab, nur ein Entweder-Oder, ein Ja oder Nein. Sie wusste, wie auch immer sie sich entscheiden würde, sie musste es durchziehen – bis zum Ende.
«Wer bin ich?», flüsterte sie erneut und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie blickte sich direkt in die Augen. Sie wollte mit sich selbst konfrontiert werden. Sie wollte in ihre Seele schauen, herausfinden, was sie tun sollte. Sie wollte sehen, wer sie war!
Eine Weile blieb sie wie angewurzelt vor ihrem Spiegelbild stehen. Dann ballte sie plötzlich ihre Fäuste, und mit einem wütenden Aufschrei zerschlug sie den Spiegel an der Wand. Er zersprang unter ihrer eisernen Faust in tausend Stücke, und die Scherben zerschnitten ihre Knöchel. Blut tropfte auf den Boden. Doch es war ihr egal. Sie hatte sich entschieden.
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Als Aliyah die Augen aufschlug, war sie völlig durcheinander und wusste nicht, ob sie sich fürchten oder freuen sollte. Sie war von Licht und Farben und Formen umgeben. Kann ich sehen?, war das Erste, was ihr durch den Kopf ging. Sie schloss ihre Augen und wartete ein paar Sekunden. Bestimmt hatte sie sich alles nur eingebildet. Wieder öffnete sie die Augen, und ihr Herz begann wild zu rasen vor Aufregung: Ja, sie konnte tatsächlich sehen!
«Ich kann sehen!», murmelte sie fassungslos. «Ich kann wirklich sehen!»
Aber wie war das möglich? Was war geschehen? Sie setzte sich in ihrem Bett auf und sah sich um. Der Raum war vollständig mit Spiegeln abgedeckt. Der Boden, die Wände, die Decke, alles war eine einzige Spiegelfläche, und das Spiegelbild, dem sie sich in mehrfacher Ausführung gegenübersah, brachte sie noch mehr durcheinander. Verwirrt sprang sie auf und näherte sich einer der Spiegelwände mit zaghaften Schritten.
«Ich träume wohl …»
Sie trat ganz nah an den Spiegel heran, hauchte ihr Spiegelbild an, wischte mit der Hand darüber, um das Bild wegzukriegen, rieb sich die Augen und blieb dann einfach nur mit offenem Mund stehen.
«Das kann ich nicht glauben …»
Sie begann, sich genauer in Augenschein zu nehmen. Ihr Haar war lang und schwer und glich einer ungekämmten Löwenmähne. Ihre Hände waren stark, ihre Arme voller stählerner Muskeln. Sie war kräftig gebaut und um mindestens zwei Köpfe gewachsen. Sie ging noch näher an den Spiegel heran und sah sich tief in die Augen.
«Das kann einfach nicht Wirklichkeit sein …»
Sie eilte zur Tür, rüttelte an der Klinke, doch die Tür war verschlossen. Sie ging zum Fenster, auch das ließ sich nicht öffnen. Sie war gefangen, aber nicht nur in einem Raum voller Spiegel, sondern auch in einem anderen Körper … in Joashs Körper!
Ephrion wachte hungrig auf. Wie immer. Er bemerkte, dass sein Zimmer vollständig mit Spiegeln verkleidet war, dachte sich aber nicht viel
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