Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
befehlendem Ton und polterte gegen die Kabinenwand, merkte aber bald, dass er so nicht weiterkam.
Bei Shaíria, was mache ich bloß? Was mache ich bloß? Ich muss raus hier! Ich muss Hilfe holen! Ich muss etwas tun! Bei Shaíria!
Es dauerte eine Weile, bis er überhaupt fähig war, seine Gedanken zu ordnen. Mit zitternden Fingern griff er in seine Hosentasche und zog seinen Mini-Kommunikator heraus.
Die Sicherheitsgarde wird im Handumdrehen hier sein, dachte er, klappte den Deckel seines modernen Geräts auf und tippte hastig eine Nummer ein. Aber gerade als er die Sendetaste drücken wollte, erlosch das Display. Das darf doch nicht wahr sein, dachte Miro. Die Batterie kann unmöglich schon leer sein. Er drückte ein paar Knöpfe, klopfte das kleine Gerät gegen die Handfläche, um es wieder zum Leben zu erwecken. Aber nichts geschah. Es blieb tot. «Komm schon», murmelte der Junge. «Lass mich jetzt nicht hängen. Komm!» Kein Lebenszeichen. «So ein Mist aber auch!», rief Miro und schleuderte den Kommunikator wütend in eine Ecke. Ausgerechnet jetzt, wo er ihn so dringend gebraucht hätte, streikte das Gerät. Es war zum Verzweifeln!
Nervös trommelte Miro mit den Fingern auf seinem Bein und suchte krampfhaft nach einer Lösung, kam dabei aber nur zu dem einen Schluss: Er saß in der Falle. Es gab keinerlei Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Bei dieser Erkenntnis sank Miro der Mut. Wie ein Ballon, dessen Öffnung man nicht fest genug zuhält, schrumpfte der Junge in sich zusammen. Schwankend ließ er den Türgriff los.
Die Kutsche ratterte über holprige Straßen, an Betongebäuden und leeren Lagerhallen vorbei. Miro warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. Die Hexenverbrennung begann in wenigen Minuten. Sein Vater würde sich wundern, wo er so lange blieb. Und er konnte nichts weiter tun, als in seinem luxuriösen Gefängnis zu sitzen und zu hoffen, dass sie an jemandem vorbeifuhren, dem er irgendein Zeichen geben konnte. Aber im Grunde wusste er selbst, dass die Chance, jemanden anzutreffen, gleich Null war. Die ganze Stadt saß jetzt bereits in der Arena, um bei der Hinrichtung Isabellas dabei zu sein. Miro war seinem Entführer hilflos ausgeliefert. Es wurde ihm schwindlig bei dem Gedanken.
14
«Wie lange bist du schon hier, Katara?»
«Ein paar Stunden, glaube ich wenigstens. Ich hab das Zeitgefühl total verloren in dieser Dunkelheit. Sind deine Augen verbunden?»
«Nein. Nur meine Hände und Füße. Die Fesseln schneiden ganz schön ein.» Der Junge versuchte sich umständlich in eine etwas bequemere Lage zu bringen. Er kam sich vor wie eine Robbe an Land, schwerfällig und plump.
«Kannst du etwas sehen, Ephrion?»
«Nichts. Nur Dunkelheit.»
«Vielleicht kannst du mir ja helfen, meine Augenbinde abzunehmen.»
«Warum haben die dir die Augen verbunden?», wunderte sich Ephrion. «Ist doch stockfinster hier.»
«Das würde ich auch zu gerne wissen», murmelte Katara. Sie rutschte sitzend über den Boden, bis sie Ephrion erreichte. «Als dich die beiden herbrachten, dachte ich, du wärst tot.»
«Ich kann mich an nichts erinnern», meinte Ephrion. «Ich war zu Hause, ging zur Tür, plötzlich packte mich jemand von hinten und presste mir etwas auf Mund und Nase. Dann wurde es mir schwarz vor den Augen. Mehr weiß ich nicht. Es ging alles so schnell.»
«Hast du jemanden gesehen?»
«Nur Schatten. Ich glaube, sie waren zu zweit. Der eine trug einen Anzug.»
«Dann waren es bestimmt dieselben Typen», stellte Katara überzeugt fest.
«Wieso?»
«Ich hab auch einen Mann in einem Anzug gesehen, bevor sie mich betäubten.»
«Wer sind die? Was wollen die von uns?»
«Ich weiß es nicht», gestand Katara und begann laut zu denken. «Es ergibt nicht den geringsten Sinn. Vielleicht hängt es mit der heutigen Hexenverbrennung zusammen. Vielleicht sind wir Teil eines Rituals, das die Hexen …»
Sie sprach nicht weiter. Es war ein völlig neuer Gedanke, der ihr einfach so über die Lippen gerutscht war. Und kaum ausgesprochen, spürte sie selbst die beklemmende Wahrheit, die darin verborgen sein konnte. Sie waren Teil eines Rituals …
Auch Ephrion erschauerte, als das Mädchen dieses Wort aussprach. Es gab allerlei Gerüchte, wozu Hexen imstande waren. Und wenn man bedachte, dass heute die große Isabella auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, konnte es durchaus möglich sein, dass die Hexen sich ihrerseits etwas einfallen ließen. Sie würden all ihre
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