Dark Future: Herz aus Eis
spürte ihre Ankunft. Sein Innerstes zog sich zusammen, und es dauerte einen Moment, bis er begriffen hatte, was es für ein Gefühl war, das er da verspürte. Wut. Wut auf Raina, weil sie sich in Gefahr brachte. Wut auf Yuriko, weil sie es zugelassen hatte. Wut auf sich selbst, weil … weil er wütend war.
Er rieb sich mit der Faust über die Stirn. Nicht gut. Es gab bei dieser dringenden Aufgabe, die vor ihm lag, keinen Platz für unnötige Emotionen. Er erkannte Sorge und Aufregung wieder. Mit kühler Entschlossenheit nahm er die Wut und den Rest der unwillkommenen Emotionen, die aus einer düsteren Quelle in seinem Innern strömten, legte sie fein säuberlich zusammen und steckte sie in die entsprechenden Fächer in seinem Kopf. Zu einem geeigneteren Zeitpunkt würde er sich mit ihnen auseinandersetzen.
Im Augenblick zählte nur die vor ihm liegende Aufgabe. Eilig berechnete er Flugbahnen und Wahrscheinlichkeiten, während er aus den Augenwinkeln Rainas Herannahen beobachtete.
Verwirrt kniff er die Augen leicht zusammen, denn ein Teil von ihm war
froh,
dass sie da war. Und dieses Gefühl ließ sich nicht so leicht beiseiteschieben.
Die anderen Schneemobile waren durch ihren großen Vorsprung weit entfernt. Raina blinzelte in den eisigen Wind und stopfte eine Hand in die Jackentasche, um ihre Blendschutzbrille herauszuholen. Es war pures Glück, dass sie sie mitgenommen hatte, als sie an diesem Morgen den Truck verlassen hatte. Sie hoffte, dass das Glück anhalten würde.
Durch ihre Geschwindigkeit fühlten sich die Temperaturen nur noch kälter an, und ihre Wangen schmerzten, als würde ihr eine brutale Hand immer und immer wieder ins Gesicht schlagen. Sie war nun nahe genug, um die Sattelzüge zählen zu können. Es waren zwölf Fahrzeuge, auf dicken Raupenketten unterwegs, die äußere Hülle verstärkt durch gigantische Metallplatten, die schuppenartig übereinandergelegt waren. Das gleichmäßige Dröhnen der riesigen Motoren vibrierte in ihr und vermischte sich mit dem Hämmern ihres Herzens.
Ihr Mund war plötzlich trocken, und sie hatte das Gefühl, dass ihr Magen, der sich jedes Mal zusammenzog, wenn ein Kampf bevorstand, sich schmerzhaft verkrampft hatte.
Über ihre Schulter hinweg packte sie die AT 950 . Der Griff der Waffe füllte ihre Hand aus. Einen Moment lang bereute sie es, dass sie sich nicht die Zeit genommen hatte, um in den Truck zu springen und ihre eigene umgebaute AT 850 zu holen. Ihre Waffe war ein bisschen kleiner, ein bisschen älter, aber durch die Veränderungen hatte sie keinen Rückstoß und keine Verzögerung.
Sie unterdrückte den Impuls, sich über die Lippen zu lecken, denn sie wusste, wenn sie es tat, würde die Feuchtigkeit sofort gefrieren und eine unangenehme Empfindung noch schlimmer machen. Und sie rang den Drang nieder, sich zu übergeben. Sie musste verrückt geworden sein, durch die gefrorene Steppe zu rasen, auf der Jagd nach … Nach was? Einem Mann? Dem Traum vom Ruhm? Keine der Möglichkeiten entsprach ihrem Stil.
Was auch immer ihre Gründe waren, sie waren tief genug in ihr vergraben, dass sie sie im Augenblick nicht finden konnte. Später hätte sie noch Zeit genug, um ihre Seele zu erforschen. Falls sie überlebte.
Sams Stimme hallte durch ihren Kopf und erinnerte sie, dass jeder Mensch Angst verspürte – doch was den Helden vom Feigling unterschied, waren eine messerscharfe Intelligenz und die Fähigkeit, diese Angst zu beherrschen. Natürlich hatte er ihr auch beigebracht, dass nur Idioten Kämpfe bestritten, die nicht ihre waren und ihnen persönlich nichts brachten. Kopfschüttelnd konzentrierte sie sich auf den ersten Gedanken. Sie hatte heute ihren Weg gewählt, und sie würde ihn bis zum Ende gehen, auch wenn die Erfolgsaussichten, auf ihrem kleinen Schneemobil etwas gegen die gepanzerten Trucks ausrichten zu können, ungefähr so gut standen wie die einer Mücke im Kampf gegen ein genmanipuliertes zotteliges Mastodon.
Vielleicht machte sie das zu einem Dummkopf. Vielleicht war es ein Zeichen ihres Mutes. Oder vielleicht zeigte es auch nur, dass sie ein Mensch war.
Der Boden zu ihrer Rechten zerplatzte zu einem Schauer aus gesplitterten Eisstücken, von denen jedes die Größe einer Männerfaust hatte. Raina lehnte sich ganz nach links und jagte im Zickzack über die Ebene. Schüsse aus der Plasmakanone. Die verfluchten Plünderer hießen sie nicht gerade herzlich willkommen.
»Raina Bowen«, drang Wizards Stimme durch das
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