Dark Future: Herz aus Feuer
einen Auftrag zu erledigen, und Abbott zu töten war nicht Teil ihres Drei-Punkte-Plans. Im Übrigen konnte sie nicht jeden retten. Und sie konnte auch nicht einfach herumspazieren und Knochen brechen, sobald sie auf falsche Moral und inakzeptable Wertvorstellungen stieß. Zwei Lektionen, die sie schnell gelernt hatte, nachdem sich für sie vor sechs Monaten die Umstände auf abenteuerliche Art und Weise verändert hatten.
Einen Moment lang verschwamm die dünne Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Erinnerungen schossen aus einem tiefen Abgrund hervor wie Geifer aus dem Maul eines tollwütigen Hundes. Sie dachte zurück an den beißenden Gestank des menschlichen Todes, das entsetzliche Gefühl, wenn das Leben ihr durch die Finger rann.
Sie hatte getötet.
Nie mehr wieder.
Ein Schwur, von dem sie wusste, dass sie ihn brechen würde – wieder und wieder.
Einige Dinge waren einfach so, wie sie waren.
Doch Abbott senior umzubringen, würde Abbott junior – einer sadistischen Gestalt mit einer Abneigung gegen persönliche Hygiene – nur die Tür öffnen, damit er den Platz seines Vaters einnehmen und ein noch grausamerer Herr für die ihm Untergebenen sein konnte, als sein Vater es je gewesen war.
Es hatte nur einen einzigen Tag in Freiheit gebraucht, um zu erkennen, dass es keine verlässlichen Gesetze gab, die die Schwachen und Unschuldigen schützten. Hier im Nördlichen Ödland existierte keine echte Gerechtigkeit. Das Neue Kommando ordnete an und tat so als ob. Aber seit Banes Tod war die Fassade der Ehrbarkeit rissig geworden, an einigen Stellen sogar löchrig.
Bane war ein Tyrann gewesen, der Puppenspieler, der die Fäden des Präsidenten des Neuen Kommandos gezogen hatte. Sein Tod hatte Tür und Tor für die niedrigsten Kreaturen geöffnet, die nun unter ihren Steinen hervorgekrochen kamen, um seinen Platz einzunehmen.
Gavin Ward hatte sich einfach schneller vorwärtsgeschlängelt als die anderen.
Sie seufzte. Wenn nicht Ward nach vorn getreten wäre, dann jemand anders, der genauso böse war. In Wahrheit war das Neue Kommando eine korrupte Schlange, die eine gesamte Hemisphäre in ihren giftigen Fängen hielt. Und wenn Tatiana einen spitzen Zahn herausriss, wuchsen an seiner Stelle zehn neue.
In der ersten Zeit in Freiheit hatte sie einige Giftzähne herausgerissen. Und das war schlichtweg dumm gewesen, denn es hatte ihr tödliche Aufmerksamkeit beschert.
Eine Spur von Leichen zu hinterlassen war nicht die geschickteste Art, um sich vor Gavin Ward zu verstecken, der sie in seinem Laboratorium anketten und in kleine, brauchbare genetische Stücke zerschneiden wollte.
Das war noch etwas, das sie gelernt hatte.
Sei Dr. Ward zumindest immer einen Schritt voraus.
Sie überquerte den schwach beleuchteten Parkplatz und bemerkte das Schneemobil, das auf dem engen Platz neben der Eingangstür zum Geschäft stand. Sauber, gut ausgestattet, jedoch technisch gesehen nicht auf dem neuesten Stand. Vermutlich war der Scooter schon zehn Jahre alt. Wahrscheinlich gehörte er einem Siedler des Nördlichen Ödlands, der Vorräte besorgen wollte.
Sie schob die Eingangstür auf und betrat den Laden. Verstohlen blickte sie sich um und merkte sich die möglichen Fluchtwege – ein zugenageltes Fenster hinter dem Verkaufstresen, ein unbeleuchteter Flur, der zum Hinterausgang am Ende des Gebäudes führte, ein zweites Fenster zu ihrer Linken, zur Sicherheit verriegelt und mit Draht versehen. Die schmalen Gänge, die sich zwischen den vollgestopften Regalen entlangschlängelten, waren menschenleer. Nur ein Typ befand sich auf halbem Weg durch den Laden. Sie nahm an, dass es der Siedler war, dessen altmodischen Scooter sie draußen gesehen hatte.
Dennoch achtete sie darauf, ihn im Auge zu behalten, als sie den Rest des Ladens ins Visier nahm. Ein Mädchen konnte nicht vorsichtig genug sein.
Boyd Abbott stand hinter dem Tresen. Lange Strähnen seines rotblonden Haars waren von einer Seite seines teilweise kahlen Schädels zur anderen gekämmt. Sie glänzten von der Pomade, die er hineingeschmiert hatte, damit sie nicht verrutschten. Anscheinend hatte er nicht mehr gebadet, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Vor sechs Wochen.
Er trug ein anzügliches Grinsen im Gesicht und eine
Bolinger
-Plasmapistole über der Schulter. Den Lauf der Waffe hatte er auf ihren Kopf gerichtet.
Die Handflächen nach vorn, hob sie die Hände.
»Ich brauche nur ein paar Informationen«, sagte sie und konnte sich ein
Weitere Kostenlose Bücher