Dark Future: Herz aus Feuer
Lächeln nicht verbeißen, als er sie keinen Atemzug lang musterte, ehe er die
Bolinger
sinken ließ. Er legte sie in das Regal hinter dem Verkaufstresen, was weder vorsichtig noch klug war. Sie hätte ihr Messer hervorziehen und es auf ihn schleudern, hätte es ihm direkt in sein verkümmertes Herz treiben können, ehe er die Chance gehabt hätte, sich die Waffe wieder zu schnappen.
Die Vorstellung hatte ihren Reiz, doch sie war tatsächlich hier, um einige Informationen einzuholen. Tot war er ihr keine Hilfe.
»Nichts ist umsonst«, sagte Abbott und ließ seinen Blick über sie gleiten. Sie wusste, was er sah: Schönheit, Unschuld, weibliche Verletzlichkeit. Die perfekte Symmetrie ihres Gesichts, die hohen Wangen, den üppigen, sexy Mund. Aber das Äußere konnte täuschen. In den vergangenen sechs Monaten hatte sie gelernt, dass es immer ihre Augen waren – in einem durchscheinenden Grau, blass und gespenstisch, aufsehenerregend gegen die dunklen Wimpern –, die sie verraten und die Menschen dazu gebracht hatten, sie »unheimlich« zu nennen.
Also sah sie ihnen nur selten in die Augen. Kein Grund, sie vorzuwarnen.
Abbotts Blick blieb zuerst an ihren Brüsten, dann an ihren Schenkeln hängen. Sie hätte beinahe gelacht. Als könnte er unter ihrem dicken Parka irgendetwas erkennen.
»Cash oder … Deal?«, fragte er und grinste so breit, dass seine verfaulten braunen Zahnstummel sichtbar wurden.
»Cash.« Mit ein paar Schritten nach vorn trat sie an den Tresen, legte ein Bündel Interdollar ab und schob es mit dem Zeigefinger zu ihm hinüber.
Abbott wollte gierig danach greifen, doch sie schlug ihm auf die Finger und hielt seine Hand und das Geldbündel auf dem abgenutzten, gelblich verfärbten Resopaltresen fest. Sie hätte ihn lieber nicht berührt, aber sie hatte nicht vor, ihn das Geld nehmen zu lassen, bevor er ihr die so dringend benötigten Informationen gegeben hatte.
Sein Blick schoss zu ihr, erstaunt und ein bisschen argwöhnisch.
»Du bist stärker, als du aussiehst.« Er grunzte, als er versuchte, sich aus ihrem Griff zu lösen.
»Das hat man mir schon mal gesagt.« Sie löste den Druck so weit, dass er seine Hand wegziehen konnte. Das Geld ließ er liegen.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine winzige Bewegung. Sie wandte sich gerade genug zur Seite, um sowohl Abbott im Auge zu behalten als auch den Typ, der durch die Gänge lief und seine Einkäufe erledigte. Er war groß und trug zerrissene Thermokleidung, die sein Gesicht und seine Figur versteckte.
Es war das typische Outfit eines Siedlers oder Rebellen. Sie verwerteten, was sie konnten, zerschnitten abgetragene Kleidungsstücke und nähten sie neu zusammen, um daraus Umhänge zu machen, die sie vor der eisigen Kälte schützten. Strategisch plazierte Schlitze boten Bewegungsfreiheit und erstaunliche Möglichkeiten, um Waffen zu verstecken.
Schnell musterte sie ihn von Kopf bis Fuß. Keine erkennbare Bewaffnung, wobei die Betonung auf »erkennbar« lag. Doch wenn er eine Plasmapistole dabeihatte, war es eine kleine Waffe. Aus seinen Stiefeln ragte kein Messergriff, also trug er dort auch keines bei sich. Aber vielleicht in einer Scheide, die er auf dem Rücken befestigt hatte. Er musste irgendwo eine Waffe mit sich führen. Im Ödland war man entweder bewaffnet oder man war schon so gut wie tot.
Er schien nicht besonders interessiert an ihr zu sein, was an ihrem Interesse an ihm allerdings nichts änderte. Sie betrachtete jeden und alles als eine Bedrohung. Ein halber Schritt nach links, und sie hatte Abbott und den zerlumpten Siedler gleichzeitig im Blick.
Sie nahm den obersten Interdollarschein vom Stapel, schob ihn über den Tresen, zog die Hand zurück und ließ ihn dort liegen.
Abbott nahm ihn und steckte ihn hastig ein.
»Gun Trucker. Yasha und Viktor Zhuk«, sagte Tatiana leise. »Ich habe gehört, dass die beiden für gewöhnlich dienstags vorbeikommen – für ein bisschen Unterhaltung der besonderen Art. Erwartest du sie heute?«
Abbott fuhr mit den Fingern über den Tresen, bis seine Fingerspitzen das Bündel Geldscheine berührten, und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Wer will das wissen?«
Sie schob ihm das Geld ein Stückchen entgegen und zwang sich zu einem Lächeln. »Ihre kleine Schwester. Kannst du die Familienähnlichkeit nicht erkennen?«
Zu ihrer Linken ertönte ein kurzes Lachen. Sie wandte abrupt den Kopf und erblickte den Siedler, der sie aus einiger Entfernung musterte. Es war nicht
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