Dark Kiss
obwohl ich meinen Mantel bereits fester um den Körper gewickelt hatte. Ich war neugierig, worüber die beiden sprachen. Wahrscheinlich über mich.
Langsam schlich ich zur Ecke des Gebäudes, bis ich sie hören konnte. Dort presste ich meinen Rücken gegen die Mauer und verharrte still, um zu lauschen.
Ich hatte recht. Sie redeten über mich. Und sie sprachen sehr leise, als wollten sie verhindern, dass ich etwas aufschnappen konnte. Aber vergeblich.
„… die Verantwortung für die Mission. Du hättest sie nie einweihen dürfen. Wie viel hast du ihr erzählt?“
„Genug, damit sie versteht.“
„Großartig. Ich hätte nicht gedacht, dass du ein kompletter Idiot bist, aber offenbar habe ich mich geirrt. Doch ich habe mich ja in einigen Dingen geirrt, nicht wahr?“
Bishops Stimme wurde schärfer. „Dann sind wir schon zwei.“
„Sie ist eine von ihnen.“
„Sie ist anders.“
„Natürlich ist sie das. Vielleicht bist du nicht so klar bei Verstand, weil du auf sie stehst. Ich meine, sie ist ziemlich süß, aber ist sie es wert, alles aufs Spiel zu setzen?“
„Die Mission ist alles, woran ich denke.“ Bishops Stimme klang angespannt, und ich war mir nicht sicher, ob er log.
Aber er hatte gesagt, Engel würden niemals lügen.
Ich rang nach Atem. Die Mission war das Einzige, das ihm wichtig war. Ich war nur ein Mittel zum Zweck, um sie erfolgreich zu erfüllen. Stimmte das? Aber ich hatte vorhin etwas in seinen Augen gesehen. Ich hasste den Gedanken, dass mir nur meine Fantasie einen Streich gespielt oder – noch schlimmer – er mich für seinen Auftrag manipuliert hatte.
„Klar, du würdest niemals etwas für ein Mädchen riskieren. Du doch nicht.“ Kraven schnaubte verächtlich. „Also, was ich da gerade eben unterbrochen habe – du wolltest nicht gerade gleich hier in der Gasse loslegen?“
Bishop stieß heftig die Luft aus. „Ich habe alles unter Kontrolle.“
„Das will ich zum Teufel auch hoffen.“ Ich konnte den Spott in Kravens Stimme erkennen. Diese Typen hassten einander wirklich. Es war mir egal, dass Bishop behauptet hatte, Engel würden nicht hassen. Zwischen den beiden hier gab es eindeutig böses Blut. „Ich weiß, dass sie irgendeinen Hokuspokus mit deinem Hirn anstellt, wenn ihr euch berührt. Kannst du dir vorstellen, was bei vollem Körpereinsatz passieren würde? Vielleicht solltest du dich mal abreagieren, sie auf den Boden werfen und einfach mal …“
Als Nächstes hörte ich einen Faustschlag, gefolgt von einem Schmerzenslaut. Ich entschied mich, in diesem Moment um die Ecke zu gehen, und sah Kraven mit einer Hand auf dem Magen über den Boden kriechen, ehe er sich sehr langsam wieder aufrappelte. Seine Augen glühten rot in der Dunkelheit. Bishopstand mit geballter Faust neben ihm, als erwartete er einen Gegenangriff. Beide blickten wütend in meine Richtung.
Ich zögerte aufgrund ihrer hitzigen Blicke einen Moment, zwang mich dann aber, mich mit verschränkten Armen an die Mauer zu lehnen und Kravens vorherigen Spruch nachzuahmen.
„Entschuldigung! Störe ich bei irgendetwas?“
„Überhaupt nicht“, antwortete Kraven und setzte dieses von mir so gehasste verdorbene Lächeln wieder auf. „Ich dachte, du hättest vielleicht schon das Weite gesucht.“
„Noch nicht, allerdings ist es sehr verlockend.“
Bishop sah nicht glücklich aus. Ob ihn das Thema ihrer Auseinandersetzung mehr aufbrachte als die Tatsache, dass er Gewalt gebraucht hatte, um sie zu beenden, war schwer zu sagen. Ich persönlich fühlte mich ein wenig geschmeichelt, weil er mich auf diese Weise verteidigt hatte. Das hätte er nicht getan, wenn ich für ihn nur Mittel zum Zweck wäre, oder? Das war etwas Persönliches. Trotzdem überraschte es mich, dass Kravens billige Sticheleien ihn so aufregten. Er hatte offenbar niemals eine öffentliche Schule besucht.
Ich kannte Typen wie Kraven schon mein ganzes Leben lang: alles Schwätzer. Manipulieren nur die Gefühle anderer. Und ja, sie sind Idioten. Nur weil er ein Dämon war, bedeutete das noch lange nicht, dass ich ihn nicht in die Tasche stecken konnte. Mit ihm kam ich zurecht. Der Engel war eine neue Herausforderung für mich. Die ganze Situation brachte mich ziemlich aus dem Gleichgewicht. Das schien der ganze Grund ihrer Mission zu sein. Das Gleichgewicht erhalten. Die Bedrohung für die Seelen ausschalten, die Himmel und Hölle benötigten, um ihre ach so wichtige universelle Balance zu bewahren. Ich hatte es kapiert. Es war
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