Dark Kiss
verrückt und beängstigend, und mein Verstand konnte es noch immer nicht so ganz fassen, aber der Kern der Sache war mir nun klar.
„Du würdest jetzt gerne nach Hause gehen, oder?“, meinte Bishop. Seine Frage klang nicht verärgert oder vorwurfsvoll. Er suchte in meinem Gesicht nach einer Antwort.
Ich schluckte schwer. „Wahnsinnig gerne.“ „Wir brauchen dich.“
„Das hast du gesagt.“ „Wirklich.“
Ich warf einen Blick auf Kraven, dann nahm ich all meinen Mut zusammen und näherte mich ihm. Ich wollte ihn nicht glauben lassen, dass ich Angst vor ihm hatte. Diese Macht über mich konnte ich ihm nicht geben.
„Brauchst du mich auch?“, fragte ich. Höhnisch grinste er mich an. „Nein.“
„Kannst du die Lichtsäulen sehen, mit denen ihr die anderen finden könnt?“
Er machte einen Schritt auf mich zu, schien mich herausfordern zu wollen und griff mich am Handgelenk. Meine Anspannung wuchs, doch ich versuchte, nicht zurückzuweichen. „Du bist schlau und gewitzt, Gray-Mädchen.“
Er hielt meinem Blick mit diesem überheblichen Grinsen im Gesicht stand.
Und plötzlich konnte ich seine Gedanken lesen.
Ich blickte hinter seine Angeberei und sein spöttisches Äußeres tief in seine bernsteinfarbenen Augen. Es fühlte sich ein wenig so an wie heute Morgen, als ich ihm einen elektrischen Schlag versetzt hatte, um mich zu schützen. Diese Fähigkeit hatte den gleichen Ursprung. Ich hatte gehört, dass die Augen das Fenster zur Seele sind. Da Dämonen keine Seele besitzen, sah ich also wohl nur hinein in Kravens wahres Selbst.
Ich weiß nicht, ob ich das schaffen werde. Nicht mit ihm hier. Ich wusste nicht, dass es so hart werden würde.
Es waren seine Gedanken und nicht meine, das wusste ich. Ich spürte es. Alles war für mich kristallklar.
„Du zweifelst an dir selbst“, sagte ich laut. „Du hast Angst, zu versagen. Da bist du genau wie Bishop. Ihr beide habt weit mehr gemeinsam, als ihr bereit seid zuzugeben.“
Er zog seine Hand von mir zurück. Die Belustigung war komplett aus seinem Gesicht gewichen und wurde von Verwirrung abgelöst.
„Wie hast du …“, begann er.
„Sie hätten dich nicht ausgewählt, wenn sie nicht geglaubt hätten, dass du es schaffen kannst.“ Wenn Kraven auf diese Mission geschickt worden war, dann musste er dafür qualifiziert sein. Jemand, von dem man dachte, dass er eine harte Situation meistern konnte. War ihm das nicht bewusst?
„Du hast keine Ahnung, wovon zur Hölle du redest.“
Er warf einen finsteren Blick zu Bishop hinüber, der uns eingehend beobachtete.
Bishop zog eine Augenbraue hoch. „Siehst du? Ich habe dir gesagt, dass sie etwas Besonderes ist.“
Kraven wandte seinen wütenden Blick wieder mir zu, und diesmal bemühte er sich deutlich, nicht zu zucken. „Tu das nie wieder.“
„Willst du nicht, dass jemand dein wahres Ich sieht?“
„Du willst mein wahres Ich nicht sehen, glaub mir.“ Er schaute zu Bishop hinüber. „Du würdest auch nicht wollen, dass sie mein wahres Ich sieht, oder? Und was ist mit deinem wahren Ich?“
„Das Risiko würde ich eingehen“, antwortete Bishop gleichgültig.
Kravens kalter Blick traf wieder mich. „Wie hast du das gemacht?“
Was auch immer es war, es fühlte sich natürlich an. Einfach. Als wäre es nur eine Erweiterung dessen, was ich bereits war.
Mir war klar, dass das keinen Sinn ergab. „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.“
„Das glaube ich dir nicht.“
„Dein Problem. Und du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Ich probierte, mit ruhiger Stimme zu sprechen. „Jedenfalls nicht ernsthaft. Kannst du die Lichtsäulen sehen, die zu den anderen führen?“
Er antwortete durch zusammengebissene Zähne: „Nein, kann ich nicht.“
Ich nickte. „Na ja, ich kann es. Und ich habe einen neuen Lichtstrahl entdeckt, also scheinst du mich wohl doch zu brauchen. Solange du mich so anschaust, als würdest du mich lieber tot sehen, kann ich jedoch nicht gerade von mir behaupten, dass ich besonders daran interessiert wäre, dir zu helfen.“
„Kraven“, stieß Bishop knurrend aus. Eine Warnung. „Sei nett zu Samantha.“
Der Dämon sah mich mit verwirrtem und wütendem Gesichtsausdruck noch einen Moment durchdringend an, bis schließlich ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Es reichte jedoch nicht bis zu seinen Augen. „Natürlich. Willkommen im Team, Süße. Scheint so, als machten wir für dich eine ganz gewaltige Ausnahme.“
Na klasse. Ich war noch nie ein besonders
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