Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
Vom Netzwerk:
verstand genau, was er meinte.
    Ich musste Nora sagen, was los war.

    Nach dem Abendessen machte ich mich auf die Suche nach ihr. Weihnachten war für die meisten der Männer ein harter Tag und dass die Truppen Dearly nicht gefunden hatten, hatte die Moral ebenfalls nicht gehoben, weshalb ich mich dazu entschlossen hatte, aus Solidarität mit ihnen zu essen. Die Lebenden, mit Ausnahme von Wolfe, hatten dasselbe getan. Daher war die Kantine zwar gut doppelt so voll wie gewöhnlich gewesen, die Gespräche blieben jedoch leise und mutlos.
    Nora war nicht in Dearlys Büro. Ich versuchte, mir nicht allzu viele Gedanken darüber zu machen, und suchte weiter. Sie war nicht in Sams Labor und auch nicht in meinem Zimmer. Tatsächlich waren die Gänge so gut wie ausgestorben. Wo steckten bloß alle? Ich hatte die Kantine zwar als einer der ersten verlassen, dabei aber gesehen, wie nach mir noch weitere gegangen waren.
    Etwa zwanzig Minuten später, als ich gerade in Panik geraten wollte, hörte ich Musik. Ich schloss die Augen und lauschte. Sie kam aus der Kantine.
    Ich verließ die Westkasernen und rannte über den Hof. In der Kantine brannten noch immer Lichter und ich hörte unter der Musik fröhliche Rufe und Gelächter. Ein weiblicher Zombie wartete draußen vor der Tür. Der Saum ihres Kleides schleifte hinter ihr über den schlammigen Boden.
    »Was ist hier los?«, fragte ich und blieb stehen.
    Das Mädchen drehte sich um und ich erkannte Chas. Ein verärgerter Blick traf mich. Sie trug dasselbe hellrote Kleid, das sie mir am Morgen gezeigt hatte, und war mit einem Sammelsurium von nicht zusammenpassendem Modeschmuck behängt. »Nein, nein. So geht das nicht.«
    »Chas, was tust du hier?«
    Sie deutete auf mich. »Geh und komm erst zurück, wenn du wieder sexy aussiehst. Dann darfst du rein.«
    Ich hüstelte. » Wie bitte?«
    »Alle sagen, du hättest dich vorhin in deine Paradeuniform geworfen, um Nora zu beeindrucken, und es hätte gut geklappt. Und jetzt hast du Idiot sie einfach wieder ausgezogen.« Sie funkelte mich an. »Geh und zieh sie wieder an.«
    »Warum? Echt, Chas, was tust du …«
    Sie unterbrach mich und stampfte dazu mit dem Fuß auf. »Das alles ist doch bescheuert! Alle sind traurig und es ist doch Weihnachten und es ist … bescheuert ! Also hab ich gewartet, bis du weg warst, damit ich das in Ordnung bringen und etwas nicht Bescheuertes daraus machen kann. Und jetzt geh schon!« Sie schubste mich zurück.
    Ich starrte sie noch ein paar Sekunden lang an, dann tat ich, was sie verlangte. Ich ging in mein Zimmer zurück und zog sämtliche Uniformteile wieder an, wobei ich mich ununterbrochen fragte, was das eigentlich sollte. Als ich fertig war, spurtete ich zurück zur Kantine. Dieses Mal stand niemand draußen und ich stieß die Türen auf.
    Bei dem Anblick, der sich mir bot, stöhnte ich auf. Das war doch nicht ihr Ernst .
    Das digitale Grammophon war voll aufgedreht und spielte den Desert Rag , eine altehrwürdige Form der Punkmusik, die sich aus etwas namens »Gangstagrass« entwickelt hatte. Es war ein Mix aus volkstümlichen Geigenklängen, Banjos und klassischen Rapbeats.
    »It’s goin’ down
    Like the Titanic in its last hours.
    A dirty game for money and power.
    It’s goin’ down
    Like a hooker on a slow hustle …«
    Mehrere Soldaten schoben Tische und Stühle an die Wände. Chas wartete, bis die Gruppe, die ihr am nächsten war, den letzten Tisch zur Seite gerückt hatte, und kletterte dann darauf. »Okay, in einer Viertelstunde rufe ich zum Tanz auf, also sucht ihr euch am besten schleunigst einen Partner! Wir bilden zwei Reihen. Und Männer können ruhig mit Männern tanzen, das ist total okay, keiner wird darüber tratschen. Jedenfalls nicht lange.« Nora stand neben ihr auf dem Boden und wirkte amüsiert.
    Ich schlängelte mich zu ihnen durch. »Chas, was machst du denn da?«
    Sie sah mich grinsend an. »Einen Tanzabend veranstalten.«
    »Und wer bitte hat dir erlaubt, einen Tanzabend zu veranstalten?«, fragte ich im gleichen Tonfall, den ich früher bei meinen kleinen Schwestern angeschlagen hatte, wenn sie etwas Ähnliches versucht hatten. Nora, die wieder das rosafarbene Kleid trug, verbarg ihr Lachen hinter ihrer behandschuhten Hand.
    »Die Stimmen in meinem Kopf«, antwortete Chas fröhlich. » Die sind ja immer so nett zu mir.«
    »Ist dir klar, dass die Ärzte deinen Schädel auf einen Pfahl spießen werden, weil die Soldaten deinetwegen schneller verschleißen?«
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher