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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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sprang vom Tisch und verpasste mir einen leichten Klaps auf die Nase, als wäre ich ein unartiger Hund.
    »Man ist schließlich nur einmal untot. Und wenn wir schon verschleißen, dann können wir dabei genauso gut ein bisschen Spaß haben. Nora macht es nichts aus.«
    Nora schüttelte den Kopf. »Nein, tut es nicht.« Sie sah mich an und lächelte weich. »Ich hab’s dir schon gesagt, Hoffnung und Freude, das ist doch etwas Gutes. Es ist Weihnachten. Und alle haben so hart gearbeitet.«
    Ihr Lächeln erinnerte mich nur wieder daran, warum ich sie eigentlich hatte finden wollen. Gott, ich wollte ihr nicht wehtun.
    Nicht jetzt.
    Also tanzten wir. Wir bildeten zwei Reihen und durchliefen mehrere Reels und andere Volkstänze mit eleganten, vorgeschriebenen Bewegungen. Na ja, elegant war eigentlich nur Nora. Sie war das strahlendste Licht im Raum, ein schillerndes, lachendes, lebendiges Mädchen, das ihre Arme und Hände völlig selbstverständlich mit denen der Toten verschränkte. Wir versuchten uns sogar, wenn auch wenig erfolgreich, an einem Walzer, und ein paar Soldaten lieferten sich schließlich einen Breakdance-Battle. Sie drehten und verbogen sich, wie kein Lebender es je gekonnt hätte, da er sich schwerlich für eine Figur die Gelenke ausrenken konnte. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass die Untoten hier so etwas machten, aber offensichtlich mussten sie es oft geprobt haben.
    Nach etwa einer Stunde rollten Samedi und Charles ein Holzfass durch die Tür. Ein ohrenbetäubendes Johlen empfing sie.
    »Das wurde auch Zeit!«, rief Chas, befreite sich von ihrem aktuellen Tanzpartner und rannte zu ihnen hinüber.
    »Okay, nein. Nein, nein, das reicht jetzt«, brüllte ich und lief ihr nach.
    »Nein nein«, entgegnete Chas. »Doppelte Verneinung, also ja.« Sie packte die Kante des Fasses und ging hinter Sam in Deckung.
    »Ihr Jungs könnt ja nicht einmal anständig betrunken werden«, erinnerte Charles mich. Er grinste und öffnete das Köfferchen, das er bei sich getragen hatte. Darin befanden sich einige Spritzen, mit denen er allen Toten, die wollten, das Bier injizieren konnte. »Nur ein Schlückchen. Was kann’s schaden?«
    Ich wurde gerade bei etwas Albernem überstimmt und ich konnte es nicht leiden, wenn ich bei etwas Albernem überstimmt wurde.
    Nora war mir gefolgt und lachte, als sie das Fass sah. »Sam! Sind Sie jetzt der offizielle Dealer der Kompanie Z?«
    Samedi zog einen Zapfhahn aus der Tasche seines Laborkittels. »Schätzchen – die eigentliche Frage ist doch, wann ich jemals kein Dealer war.«
    »Okay, das müssen Sie mir jetzt erklären.«
    Samedi ignorierte sie. Charles zog seine Latexhandschuhe über.
    Ich entschied mich, den Mund aufzumachen. Immerhin konnte ich ihm so die Sache mit dem Fässchen heimzahlen. »Doc Sam ist ein sehr gefragter Mann. Jedenfalls dort, wo ich herkomme. Er wurde von viktorianischer Seite offiziell begnadigt … unter der Bedingung, dass er hier arbeitet.«
    Sam warf mir einen finsteren Blick zu. Nora zupfte an meinem Ärmel. »Weiter!«
    »Du vergisst wohl, mein junger Freund«, sagte Sam drohend, während er dabei war, das Fass anzustechen, »dass sich jede junge Lady, die meine Geschichte hört, augenblicklich unsterblich in mich verliebt.«
    »Ach ja, so wie Doc Chase? Das Risiko gehe ich ein.«
    »Ja, wo haben Sie sich überhaupt kennengelernt?«, wollte Nora wissen und trat beiseite, um der Zombieschlange aus dem Weg zu gehen, die sich sofort gebildet hatte, kaum dass es eine Bar gab.
    Samedi klopfte gegen das Fass und richtete sich dann seufzend auf. »Ich habe Dr.   Chase vor langer Zeit versprochen, dass ich niemals ihre Seite der Geschichte erzähle.« Verärgert sah er mich an. »Ihr beide solltet tanzen.«
    Plötzlich fühlte ich mich schlecht. »Hör mal, es tut mir leid, Sam.« Aber er hatte sich bereits abgewandt und ging.
    »Warum ist er so wütend?«, fragte Nora.
    »Ich weiß auch nicht. Normalerweise ist er ziemlich gelassen, aber manchmal wird er etwas emotional.«
    Nora sah zu der tanzenden Menge hinüber. »Ich vergesse es dauernd. Manche von euch sind Punks und manche Viktorianer und ihr arbeitet hier zusammen und … streitet ihr euch deswegen denn nie?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete ich. »Im Tod zählt so etwas nicht mehr. Manchmal taucht das Thema natürlich auf, irgendwelche Kleinigkeiten, aber wenn man fühlt, wie der eigene Körper allmählich verrottet? Wenn man weiß, dass die eigene Zeit eigentlich schon abgelaufen ist? Dann

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