Dark Love
ist es plötzlich nicht mehr so wichtig, wo dein Zimmerkamerad geboren wurde. Uns bleiben nur noch ein paar Jahre. Warum sollten wir sie mit Hass und Schmerz vergeuden?«
Nora wandte mir ihr Gesicht zu. Ihr Mund blieb ausdruckslos, aber aus irgendeinem Grund mochte ich es, wie sie mich ansah. Als hätte ich sie beeindruckt. Als hätten meine Worte etwas in ihr zum Klingen gebracht.
Ich reichte ihr meine Hand. »Lass uns tanzen.«
Sie lächelte.
Während der nächsten Stunden berührten wir uns und strichen ohne Angst oder Reue dicht aneinander vorbei. Schließlich wiegte sich Nora zu den Klängen eines sehr langsamen und alten Liedes in meinen Armen. Aber erst nachdem ich sie überzeugt hatte, dass man bei den Punks – ja, wirklich – genauso zu ruhiger Musik tanzte und dass ich ihr das – nein, wo denkst du hin? – nicht nur erzählte, damit ich sie im Arm halten konnte.
Irgendetwas stimmte allerdings nicht. Ich ertappte mich dabei, wie ich heute schon zum zweiten Mal an ihr roch und mich dabei nahe zu ihrem Ohr beugte. Sie versteifte sich ein wenig. »Was ist los?«
»Du riechst nach … Schokolade«, erkannte ich.
Sie senkte die Lider. »Dr. Chase hat mir ein Fläschchen Parfüm gegeben.«
Ich lachte. Ich wusste, dass sie mich für das, was ich als Nächstes sagte, hassen würde, aber ich tat es trotzdem. »Lebendes Fleisch mit Schokoglasur.«
Sie errötete. »Ach, sei still!«
»Ich mache mich nicht über dich lustig!«, protestierte ich wenig überzeugend, da ich dabei immer noch versuchte, mir das Lachen zu verkneifen. »Ich finde es süß! Warte, warte, so hab ich es nicht gemeint …«
Sie funkelte mich an und verbarg ihr Gesicht dann an meiner Brust. »Hör auf.«
Das tat ich. Sofort.
Das hier war der beste Moment meines Lebens.
Und Wolfe wählte genau diesen Augenblick, um die Party zu sprengen.
»Raus. Alle«, brüllte er. Seine Stimme donnerte durch den Raum. Die Feiernden froren an Ort und Stelle ein und Coalhouse brachte mit einem Ratschen das Grammophon zum Schweigen. Ein paar Zombies verbargen hastig das Fass hinter ihren Rücken. »Alle Mann in die Kasernen, sofort . Außer Griswold.«
Nora löste sich langsam aus meinen Armen. Ich sah in ihre besorgten Augen. »Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen«, flüsterte sie.
»Hast du nicht. Geh jetzt.« Ihr Blick hielt den meinen noch einen Moment, doch dann tat sie, worum ich sie gebeten hatte. Ihre Absätze klackerten leise auf dem harten Kantinenboden, als sie davonging. Meine Freunde warfen mir entschuldigende Blicke zu und folgten ihr dann.
Wolfe und ich standen dort, still wie Bojen auf dem Meer, während die Menge an uns vorüberströmte und durch die Türen nach draußen schwappte. Als der letzte Zombie den Saal verlassen hatte, erhob Wolfe seine Stimme und sie hallte von jedem Gegenstand um uns herum wider. »Was zum Teufel ist nur in Sie gefahren?«
Ich würde Chas nicht verpfeifen. »Ich bitte um Entschuldigung, Captain. Es schien mir, als spräche nichts gegen eine kleine Weihnachtsfeier. Miss Dearly hatte keine Einwände.«
»Oh, das war offensichtlich.« Er musterte mich, als hätte er mich gerade von der Sohle seines Schuhs gekratzt. »Und wie ich gesehen habe, hatte sie auch keine Einwände dagegen, mit Ihnen zu tanzen.«
Das würdigte ich keiner Antwort.
»Gibt es Ihnen irgendeinen Kick, wenn Sie so tun, als seien Sie ein Mensch, Griswold?«
Ich konnte noch immer Noras Kopf an meiner Brust fühlen und die Worte kamen von ganz allein. »Ich bin ein Mensch.«
»Darüber ließe sich streiten.« Er stieß ein freudloses Lachen aus. »Sie sind ein Krankheitsüberträger, Griswold. Sie sind nichts weiter als eine sehr große Ratte. Ein sehr großer Floh .«
»Nein.« Auf einmal spielte es keine Rolle mehr. Er konnte mich beleidigen, mich in Streifen schneiden, mich schicken, wohin er wollte, auf jede noch so kranke Mission. Er konnte mich in meinen endgültigen Tod schicken und ich würde gehen, mit einem Lied auf den Lippen. »Wir sind alle Menschen. Wir sind tot , aber wir sind noch immer Menschen. Wir fühlen, wir sehen und unsere Chancen auf ein gutes Leben und auf jemanden, der uns liebt, stehen genauso gut oder schlecht wie bei jedem, der noch atmet. Wir sind Menschen .« Ich lächelte. »Und ich bin sogar ziemlich gut darin. Ich sehe gut aus und hatte bis gerade eben noch ein Mädchen im Arm. Ich habe es nicht nötig, Leute zu erniedrigen, und ich muss auch niemandem den Abend
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