DARK MISSION - Fegefeuer
zusammen, die Hände in die Brust gekrallt, gleich über dem Herzen.
Jessie spürte ihr eigenes Herz. »Nein!«
Die im Wasser gelandete Hexe kämpfte sich zurück auf die Insel, gesellte sich zu ihrer Schwester. Gemeinsam mühten sie sich ab und zerrten und zogen Caleb zu dem Pfahl hinüber.
Jessie ließ den Kopf hängen, als die Schwestern ihn hinter ihr an den Pfahl banden. Fest, sehr fest zogen sie die Fesseln an. Jessie spürte Calebs Hände aneinandergefesselt in ihrem Kreuz, ihre Hände lagen in seinem. Als er fluchte, als er sich gegen seine Fesseln aufbäumte, wusste Jessie, dass die Schwestern ihm antaten, was sie ihr angetan hatten.
Sie banden ihn, banden ihn mit seinem eigenen Blut.
Ein Hexer war sich selbst der schlimmste Feind.
»Nun denn!« Curios Stimme, aalglatt und kultiviert, als ob kein Blut Jessies Haut tränkte oder Calebs. Als ob der Zirkelmeister sich nicht gerade Caleb mit einer Handbewegung entledigt hätte, ganz wie man eine lästige Fliege verscheucht. Jessie schleuderte ihm einen wütenden Blick entgegen.
»Dafür wirst du bezahlen, du Bastard«, zischte sie. »Und wenn ich dich, das schwöre ich bei Gott, jeden Tag deines Lebens verfolgen muss, bis in die Hölle hinein!«
Curio lächelte. »Vielleicht.« Dann schenkte er ihr keine weitere Beachtung, sondern umrundete den Pfahl. Jessie riss an ihren Fesseln, versuchte alles, um über die Schulter zu sehen und den Zirkelmeister, den Feind, im Blick zu behalten.
Sie erstarrte, als Calebs Hände sich hinten in ihre Jacke krallten.
»Ich hätte nie erwartet, dass du mich verrätst, Meister«, sagte er. Seine Stimme verriet Anspannung, aber sie war kräftig. »Was hat dich dazu gebracht?«
»Mein lieber Freund«, erwiderte Curio, und Jessie sah, dass er Caleb die Schulter tätschelte, sie ihm fast liebevoll drückte. »Ich wusste, dass du mich heute Nacht töten wolltest.«
Jessie zuckte zusammen. Calebs Finger verkrampften sich noch mehr in ihrer Jacke.
»Oh!« Nichtssagend. Ruhig. Trotz der Schmerzen, die Jessie quälten, grinste sie. Es war ein bitteres, freudloses Grinsen.
Oh ja, sie war eine ausgezeichnete Lehrerin gewesen!
Wie ein Peitschenhieb, kurz, hart, ein Schlag, Fleisch auf Fleisch. Jessie biss die Zähne zusammen, als Curio gelassen sagte: »Unterschätze mich nicht, Caleb Leigh! Ich bin kein Narr. Dieser Zirkel gehört mir. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind darin gehört mir. Wie konntest du es wagen zu glauben, es sei anders?« Wieder ein harter Schlag. »Ich habe dich gekleidet.« Noch einer. »Ich habe dir zu essen gegeben.« Ein weiterer Schlag. Jessie zuckte zusammen. »Ich habe dich aufgenommen und aus deinem elenden Dasein erlöst.«
Immer noch krampften sich die Hände ihres Bruders in Jessies Jacke. Jessie spürte, dass er die Muskeln anspannte. »Du lügst wie ein kleines Mädchen, Curio«, spie er dem Zirkelmeister entgegen. »Diesen Plan hast du doch von Anfang an verfolgt!«
Jessie konnte Curios Lächeln förmlich hören. »Du bist einfach zu schlau, Caleb Leigh. Das warst du immer. Ja.«
»Du verlogener Hundesohn!«
»Wie war das doch gleich«, meinte Curio leichthin, »mit Glashäusern und Steinen? Dein Fehler, mein Freund, war, dass du angenommen hast, ich wüsste nichts von deinen kleinen Erntefeldzügen. Dass du dich sicher fühlen darfst, während du das Lebensblut verborgener Hexenkraft stiehlst. Darin«, sagte er selbstgefällig und missbilligend zugleich, »hast du dich geirrt. Diese Art von Arroganz tut einem Weissager ganz und gar nicht gut.
Nun denn!« Das Letzte rief er mit volltönender Stimme, die zu dem weit ausgreifenden Schritt passte, mit dem er zu der großen Kerze zurückkehrte. »Heute Nacht, meine Brüder und Schwestern, werdet ihr alle Zeuge des Übergangs von magischen Kräften gleich zweier Magiebegabter sein! Beide sind sie Verräter an unserer Sache, aber ihre Gaben können und sollen unserer Sache noch von großem Nutzen sein!«
Jessies Schultern verspannten sich, als sie Caleb leise »Jessie?« fragen hörte.
Die versammelte Hexen- und Hexergemeinde brach in Jubel aus. Im Jubelgeschrei ging das Prasseln und Fauchen der Feuer ebenso unter wie Jessies Schluchzen. »Erzähl mir jetzt bloß keine Lügen! Wag es ja nicht!«
»Himmel, es tut mir so leid.« Sie spürte, dass Calebs Hände in ihrem Rücken zitterten. Vor Anspannung und Angst bebten. »Eigentlich sollte es anders laufen, so war der Plan. Geplant war, dass ich den Zirkelmeister töte. Damit hätte sich das
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