Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
bricht Ihre Seele entzwei. Da Sie den Geist beschworen haben,
ist Ihre Seele mit ihm verbunden. Und wenn die Seele des Geists zerstört
wird...“
„Wird auch meine zerstört“, fiel ich ihr mit einem flauen Gefühl in
der Magengrube ins Wort und verstaute die Troddel sorgfältig in der Innentasche
meiner Jacke. „Alles klar. Nochmals vielen Dank. Wenn ich es schaffe, Sie-wissen-schon-wen davon zu überzeugen, sich befreien zu lassen, werde ich Sie informieren, ob
Ihre Tipps geholfen haben.“
Sie malte ein Schutzsymbol auf meine Stirn und verabschiedete sich
rasch von mir. Ich blieb noch am Tisch sitzen, weil ich etwas erschöpft von der
Herstellung des Hüters war - ganz zu schweigen von dem Stress wegen Esmes
unerwartetem Erscheinen. Ich machte mir ein paar Notizen zu dem eben erlernten
Verfahren, und eine halbe Stunde später verließ ich die British Library, um mit
dem Taxi zum Jamaica House zu fahren, wo Joy und ihr Verlobter im obersten Stockwerk
wohnten.
Zum Glück gab es einen Aufzug im Haus, und so konnte ich gefasst und
würdevoll die Klingel drücken, statt mir nach Atem ringend das schmerzende Bein
zu halten.
„Oh, da bist du ja“, begrüßte Roxy mich. „Sie ist hiiiiiiier!“,
brüllte sie über ihre Schulter, packte mich am Handgelenk und zog mich in die
Wohnung. „War es schwer, hierher zu finden? Es ist schon ein bisschen
abgelegen, hm? Das hab ich Raphael und Joy schon mehrfach gesagt, aber ihnen
gefällt es hier. Es ist ein historisches Gebäude, weißt du. Unten war mal ein
Cafe, eins mit Tradition, nicht so ein moderner Coffee-Shop. Samuel Johnson und
sein Literaturclub und so weiter. Ich wüsste zu gern, ob es hier Geister gibt.
Hey, vielleicht könntest du dich ja mal umsehen. Moment, gib mir deine Jacke!“
Als Roxy eilfertig an meiner Jacke zerrte, kamen Joy und ein ziemlich
großer Mann mit gelblichen Augen aus dem Wohnzimmer. (Kein Wunder, dass sie
meine Augen gar nicht so seltsam fand!)
„Allie, schön, dich zu sehen! Das hier ist Raphael, mein Zukünftiger.
Roxy, lass sie doch erst den Arm aus der Jacke ziehen, bevor du sie ihr
abnimmst!“
Irgendwie - und ich schwöre, dass dabei jemand, der hier ungenannt
bleiben soll, die Finger im Spiel hatte - fiel die Troddel, an die Esme
gebunden war, auf den Boden, als ich Raphael die Hand schüttelte und Roxy mir
gleichzeitig die Jacke von meinem linken Arm zog. Ich schrie erschrocken auf.
„Oh mein Gott, bleib stehen, sonst zertrittst du Esme!“ Namen haben
Macht, und da ich den Geist nicht auf das Hotelzimmer festgelegt hatte, kam er
auch prompt von der Troddel frei, kaum dass ich Esmes Namen ausgesprochen hatte
- einen Sekundenbruchteil bevor Roxy drauftrat.
Als plötzlich der Geist einer mit einem Bademantel bekleideten älteren
Dame, die eine dreibeinige Katze im Arm hielt, durch den Flur schwebte, wurde
es totenstill. So still, dass man ein einzelnes Sauerstoffatom auf den Boden
fallen hätte hören können.
Ich schloss einen Moment lang die Augen und fragte mich, warum mir
kein nettes, normales Leben mit netten, normalen Geistern vergönnt war.
„Guten Tag, alle miteinander. Allie, Sie haben mir nicht gesagt, dass
wir jemanden besuchen gehen. Ich sehe doch heute ganz furchtbar aus! Duftet es
hier etwa nach Scones? Ich habe seit Jahren keine Scones mehr gegessen! Ich hoffe,
Sie haben die mit Datteln, von Sultaninen bekomme ich nämlich immer Blähungen.
Also, ich mache mich rasch ein bisschen frisch, und dann bin ich bereit für
einen netten kleinen Plausch.“
Drei Augenpaare sahen mich äußerst überrascht an. Ich gab mein Bestes
und lächelte tapfer. „Sind wir zu früh?“
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„Ich weiß ja, dass sie nichts zu sich nehmen kann, aber ich komme mir
furchtbar unhöflich vor, weil ich ihr nicht mal eine Tasse Tee anbieten kann“,
sagte Joy ein paar Minuten später, nachdem wir die Vorstellungsrunde
überstanden hatten.
Raphael, der sich inzwischen verabschiedet hatte, weil er in seiner
Firma, einem Sicherheitsdienst, noch etwas zu tun hatte, war zwar reichlich
verdattert gewesen, aber letztlich hatten die drei Esmes plötzliches und höchst
ungewöhnliches Erscheinen ziemlich gut aufgenommen.
Roxy war im siebten Himmel. Sie saß neben Esme auf der Couch und
quetschte sie über das Leben nach dem Tod aus. Die beiden waren einander
durchaus ebenbürtig, denn jeden guten Rat, den Esme ihr gab („Kleine, zierliche
Frauen sollten keine Querstreifen tragen - damit sehen Sie aus wie ein
Zwerg!“), parierte Roxy
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