Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
muss?“
„Oje, das hätte er nicht sagen dürfen.“ Esme schüttelte den Kopf. Joy
und Roxy nickten zustimmend.
„Ertragen?“ Ich baute mich wütend vor ihm auf.
„ Ertragen hast du gesagt? Niemand zwingt dich, mich zu
ertragen, Graf Dracula. Ehrlich gesagt kann ich sogar sehr gut darauf
verzichten, dich jemals im Leben wiederzusehen, also kannst du dir das Ertragen
auch irgendwohin stecken!“
„Meine Liebe, wie ich gerade sagte, spricht eine Dame...“
Christian kam einen Schritt auf mich zu. Aus seinen Augen sprach der
blanke Zorn. Sein heißer Atem schlug mir ins Gesicht, während seine samtige
Stimme mich einmal mehr in ihren Bann zog. „Ich habe deine Beschimpfungen
bisher ertragen, weil mir bewusst ist, wie unsicher du in Bezug auf dein
Aussehen bist, ganz zu schweigen von deiner Angst vor dem, was ich bin, aber
ich werde deine Unhöflichkeit nicht länger hinnehmen. Du hast meine Pläne
durchkreuzt, ohne dich dafür zu entschuldigen, du hast dich gegen meinen Willen
in mein Leben gedrängt, und wenn ich etwas Nettes zu dir sage, reagierst du
immer nur mit Grobheiten und kindischen Bemerkungen. Damit ist jetzt Schluss!
Du bist vielleicht nicht meine Auserwählte, aber es gibt eine Bindung zwischen
uns, auch wenn du dir das nicht eingestehen willst. Und weil Dunkle ihre Frauen
zu beschützen pflegen, werde ich dich selbstverständlich zu deinem Hotel
begleiten. Ende der Diskussion!“
Habe ich schon erwähnt, dass ich herrische, despotische Männer
verabscheue? Wirklich, es war seine Verbalattacke, die mich dazu veranlasste,
das zu tun, was ich tat. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich bin ein
gebranntes Kind. Mein Leben war früher von einem Mann kontrolliert worden, und
ich hatte in der ständigen Angst gelebt, etwas zu tun, das ihm unter Umständen
missfallen könnte, denn die Konsequenzen waren fast immer mit körperlicher
Gewalt verbunden gewesen. Und so hatte ich mir, als ich vor Timothys leblosem Körper
stand, hoch und heilig versprochen, dass ich mich nie wieder von jemandem
unterdrücken lassen würde.
Ich bedankte mich bei Joy für den Tee.
„Ich bin sicher, wir sehen uns noch“, entgegnete sie mit einem raschen
Blick in Christians Richtung. Er zog eine Augenbraue hoch. Angesichts des
stummen Einverständnisses zwischen den beiden knirschte ich mit den Zähnen,
riss mich jedoch am Riemen, als mir bewusst wurde, was ich tat.
In Windeseile rupfte ich eine Troddel von meinem Pullover.
„Sag Auf Wiedersehen, Esme“, sagte ich, während ich Hüterschutzsymbole
in die Luft malte. Dann kehrte ich den anderen den Rücken zu, um leise die
Formel zu sprechen (ich lasse mir nicht gern bei der Arbeit zusehen), und
drehte mich wieder um, als die Troddel zu leuchten begann. Während ich meinen
Mantel holte, beachtete ich Christian ebenso wenig wie er mich. Roxy quasselte
fröhlich über dies und das, als sie mich zur Tür brachte. Ich achtete darauf,
dass niemand sah, wie ich rasch ein paar Zeichen in die Luft malte und die Tür
mit einem Bann belegte. Dann trat ich in den Flur und betete mit angehaltenem
Atem, dass der simple Bann auch einem Vampir standhielt.
Christian blieb irritiert vor der Tür stehen. Er runzelte die Stirn
und versuchte die von mir errichtete unsichtbare Barriere zu durchbrechen.
„Christian? Was ist?“
Ich lächelte, als er mich mit zusammengekniffenen Augen taxierte. „Was
hast du getan?“
„Ich? Ich kindisches, unhöfliches, unsicheres, verängstigtes kleines
Etwas? Was könnte ich denn getan haben?“
„Du hast etwas mit der Tür gemacht, Beschwörerin! Damit ich die
Wohnung nicht verlassen kann!“, knurrte er, und das klang so sexy, dass ich
wohlig erschauderte, wie ich es noch nie erlebt hatte.
Ich zeigte ihm die Zähne. „Glaub bloß nicht, du könntest mir sagen,
was ich zu tun habe! Ich bin ein freier Mensch und habe meinen eigenen Willen,
und ich werde mich nie wieder unterdrücken lassen!“
Joy sah mich betroffen an, doch ich winkte ihr fröhlich zu, machte auf
dem Absatz kehrt und verließ das Haus. Ein paar Minuten später ließ ich mich
seufzend auf die Rückbank eines Taxis sinken, das ich ergattern konnte, als
gerade jemand ausgestiegen war. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauerte, bis
Christian merkte, dass mein dürftiger Bann - Beschwörer kennen sich eigentlich
nur mit Bannen zu ihrem persönlichen Schutz oder zur Verankerung von Geistern
aus - lediglich für diese eine Tür galt und nicht für die anderen Ausgänge der
Wohnung.
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