Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
sagte, Leslie sei spurlos
verschwunden, war es zu spät. Ich hatte keine Beweise und war ans Bett
gefesselt. Sechs Monate lang konnte ich nicht gehen. Ich weiß nicht, ob du
jemals jemandem ausgeliefert warst, der keine Gnade kennt, aber die Erfahrung
hatte mich gelehrt, dass ich keine Chance hatte, ihm zu entkommen.“
Christian wischte mir zärtlich die Tränen von den Wangen, die ich gar
nicht gespürt hatte. „Aber letztlich bist du diesem Unmenschen
entkommen.“
Ich nickte und schloss einen Moment lang die Augen, um seine
liebevolle, wärmende Geste zu genießen. „Ein Jahr später hat er versucht, mich
umzubringen. Da bin ich weggelaufen und habe schließlich in einem Frauenhaus
Zuflucht gesucht. Eine der Frauen, die dort arbeitete, war eine Hexe. Sie
erkannte meine Stärke, die ich mich so lange zu verbergen gezwungen gefühlt
hatte. Sie half mir zu verstehen, was Timothy mit mir gemacht hatte und wie ich
den Teufelskreis durchbrechen konnte. Sie lehrte mich, dass ich mich von
niemandem unterdrücken lassen muss, und brachte mir bei, wie man Stärke beweist
und sich zur Wehr setzt, statt das ewige Opfer zu sein. Sie machte mir klar,
dass Männer erst Ruhe geben, wenn sie alles unter Kontrolle haben, und sie
immer versuchen werden, jemanden, der ihre Autorität infrage stellt, zu
tyrannisieren und einzuschüchtern.“ Ich hob den Kopf und sah Christian
entschlossen an. „Ich werde nicht zulassen, dass mir ein Mann noch einmal so
etwas antut.“
Zu meiner Überraschung nickte Christian. „Ich bin sehr froh, dass du
diesen qualvollen Lebensabschnitt überstanden hast und dich die tragischen
Erfahrungen stark gemacht haben. Frauen sind keine hilflosen Opfer.“ Er strich
mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Ich habe dich von Anfang an für sehr stark
gehalten, Allegra. Ich würde dich niemals verändern wollen. Du hast
bedauerlicherweise bisher nur die Kehrseite männlicher Stärke kennengelernt -
Gewalt. Aber du darfst nicht glauben, dass alle Männer so sind.“
Ich trat zurück. „Offenbar bestreitest du nicht, dass Männer erst
zufrieden sind, wenn sie die Kontrolle haben.“
Er zuckte elegant mit den Schultern, wie es seine Art war. „Das ist
ein Aspekt dessen, was einen Mann zum Mann macht. Männer sind von Natur aus
dominant, und Frauen sind...“
„Unterwürfig? Unterjocht? Dumme kleine Fußabtreter, auf denen Männer
herumtrampeln können?“
Er lächelte, und seine weißen Zähne blitzten auf. „Diejenigen, die
sich um das Wohlergehen anderer kümmern, wollte ich sagen. Frauen können zwar
auch energisch werden, oder dominant, wenn du so willst, aber nur, wenn es um
das Wohl ihrer Lieben geht. Im Grunde ihres Wesens sind sie es nicht.“
Ich schnaubte (dank Christian entwickelte sich das allmählich zu einer
schlechten Angewohnheit). „Tu mir und allen anderen Frauen des
einundzwanzigsten Jahrhunderts den Gefallen und mach die Augen auf! Frauen
können genauso stark sein wie Männer - wir trampeln dabei nur nicht auf jedem
und allem herum.“
Sein Lächeln wich einem Stirnrunzeln. „Frauen wollen nur den Ton
angeben, um sich zu beweisen, dass sie Männern in jeder Hinsicht gleich sind.“
Ich kniff die Augen zusammen. „Oh nein, komm mir bloß nicht mit der Tour! Ich glaube, dieses Gespräch führt zu nichts. Du bist einer von diesen
ewig gestrigen Machos, die denken, sie hätten das Recht, andere
herumzuschubsen, wie es ihnen gerade passt. Du zeigst dich kein bisschen
einsichtig oder offen für eine vernünftige Diskussion, also spare ich mir jedes
weitere Wort.“ Ich ging zum Schrank und fischte ein paar Klamotten heraus.
„Esme, du kannst jetzt rauskommen. Wenn du willst, kannst du unseren Nosferatu
hier mit Geschichten vom damenhaften Benehmen unterhalten. Ich gehe duschen“,
sagte ich. „Allein“, fügte ich mit Nachdruck hinzu.
„Unsere Unterhaltung ist noch lange nicht beendet, Allegra“, rief
Christian mir hinterher.
„Allie, ich muss Beschwerde einlegen gegen die Art und Weise, wie Sie
mich und meinen Schnuckelschatz transportieren.“ Esme strich ihren Bademantel
glatt, während die Katze sich zu ihren Füßen streckte und reckte. „Ich bestehe
darauf, dass Sie uns nicht mehr in Ihrer Jackentasche unterbringen. Ich wäre um
ein Haar erstickt! Guten Abend, Christian. Es ist mir immer wieder ein
Vergnügen, einen Mann mit so ritterlichen Manieren zu sehen.“
Ich verdrehte die Augen und marschierte ins Badezimmer. Einen winzigen
Teil meiner Frustration - die
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