Dark one 03 - Kuesst du noch oder beisst du schon- neu-ok
Muster bestand aus zahllosen ineinander
verschlungenen Schnörkeln, die eine gewisse Ähnlichkeit mit keltischen Knoten
hatten. Es sah beinahe so aus, als habe es jemand mit grüner Leuchtfarbe
aufgemalt und das Buch dann in der Sonne liegen gelassen. Das Muster wirkte
ausgebleicht, und wenn ich mit dem Finger darüberfuhr, schien es vollends zu
verschwinden. War es möglich, dass ich tatsächlich einen Bann sehen konnte?
Ein
verschwommenes Bild tauchte aus dem hintersten Winkel meines Gedächtnisses auf:
das Gesicht einer zierlichen Asiatin, die mit dem Finger Zeichen in die Luft
malte. Ich dachte, ich hätte sämtliche Erinnerungen an die Frau, die mich und
Beth unterwiesen hatte, verloren oder ausgelöscht, aber jetzt erschien sie mir
auf einmal und sagte irgendetwas über die Bedeutung von Bannen. Ich schüttelte
den Kopf, um meine traurigen Gedanken loszuwerden, und sah mir das Muster auf
dem Buchrücken genauer an. Wo ich es mit dem Finger nachmalte, leuchtete es
kurz auf und verblasste dann wieder. Kompliziert, wie es war, entsprach es
durchaus dem, was noch an verschwommenen Informationen über Banne in meinem
Gedächtnis vorhanden war.
Ich
erreichte mit der Fingerspitze den Endpunkt der verschlungenen Linie, und
schwups, plötzlich hielt ich das Buch in meinen verschwitzten kleinen Händen. „Was
zum... Oh!“ Die Frage, warum das Buch auf einmal beschlossen hatte zu
kooperieren, schob ich erst einmal beiseite und schlug es rasch auf. Ich fand
ein paar beschriebene, aus einem Notizbuch herausgerissene Blätter, zwischen
denen etwas lag, das wie ein Ohrring aussah, wie eine kleine Creole. Er war
offenbar aus einer Muschel gefertigt, jedenfalls schimmerte er perlmuttfarben
und hatte einen schmalen Goldrand.
„Houston,
der Adler ist gelandet“, sagte ich und trug das Buch, die Zettel und den
Ohrring zum Schreibtisch, um sie mir unter der Leselampe genauer anzusehen. „Was
haben wir denn „'allo, schöne Dame!“, ertönte eine gespenstische Stimme aus der
Wand, dann trat ein Mann mit langen brauen Locken, elisabethanischer
Halskrause, Wams und Strumpfhose heraus. Mit der einen Hand schnappte ich mir
die Notizen, mit der anderen den Ohrring und stürzte zur Tür. Der Geist - es
war tatsächlich ein Geist, wie mein armer überstrapazierter Verstand
feststellen musste - zog schwungvoll seinen Hut und verbeugte sich galant vor
mir. „Ich wusste nicht, dass wir so liebreizenden Besuch 'aben. Ich bin
Antonio.“
„Ah“, machte
ich. Schließlich musste ich erst einmal die Tatsache verdauen, dass mir ein gut
aussehender Geist Avancen machte. Ich wich ein paar Schritte zurück. Nichts wie
weg!, dachte ich. „Also, ich glaube, die Party ist vorbei. Wenn diese Notizen
nicht die richtigen sind, verzichte ich lieber auf den Brustpanzer, denn
ehrlich gesagt ist mir im Augenblick mehr an meiner geistigen Gesundheit
gelegen als an einem Karrieresprung.“
„Sie möchten
über Brüste sprechen?“ Der geisterhaft schimmernde Antonio stierte auf meine
Brust und kam auf mich zu, während ich weiter zurückwich. Er zwirbelte seinen
Schnurrbart und glotzte mich dabei lüstern an. „Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen
jeden Wunsch zu erfüllen, meine Dame. Ihre prallen Brüste, sie gleichen zwei
wohlgenährten Täubchen, die nur daraufwarten, gerupft zu werden.“
Ich
Glückspilz! Der Geist war offenbar ein alter Lustmolch.
„Hm...“ Ich
tastete hinter mir nach der Wand, ohne meinen Blick von dem Geist abzuwenden.
„Wie lautet
Ihr Name, Sie 'errliches Geschöpf mit den prächtigen Brüsten?“
„Oh...“
Meine Finger stießen gegen Buchrücken und ich machte noch ein paar Schritte
nach links, wo sich die Tür befand, durch die ich hereingekommen war.
„Würden Sie
mir gestatten, sie ein wenig zu drücken? Sie sind so verlockend, Ihre Brüste!
Ich 'abe zu meiner Zeit viele Brüste gesehen, aber Ihre... Oh Allmächtiger, sie
sind ein wahrer Augenschmaus! Sie ziehen mich magisch an!“
„Iiih!“,
kreischte ich, als Antonio seine durchsichtige Hand nach mir ausstreckte. Ich
drehte mich ruckartig um und wollte die Bibliothek mit meinem Diebesgut
verlassen, doch wo zuvor die Tür gewesen war, traf ich nun auf eine Mauer.
Auf eine
sehr warme Mauer.
Eine, die
strahlend blaue Augen und langes kastanienbraunes Haar hatte und ihre
gefährlich spitzen Zähne fletschte.
Ein Vampir!
3
„Dabei hatte
ich gerade gedacht, es könne nicht mehr schlimmer kommen!“, stieß ich hervor.
Hinter mir fluchte der
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